Dr. Thiel im Interview zu den Vorwürfen der Pauschalverurteilung individueller Gesundheitsleistungen

Dr. med. Ralf Thiel, Chefarzt Urologie, nimmt Stellung zu den Vorwürfen der Pauschalverurteilung individueller Gesundheitsleistungen (IGeL).

Chefarzt Urologie
Dr. med. Ralf Thiel - Chefarzt Urologie

Was sagen Sie zu den Vorwürfen, dass Ärzte mit Selbstzahlerleistungen „abzocken“?

Richtig ist, dass nicht alle IGeL-Untersuchungen immer sinnvoll sind und manchmal auch ein finanzielles Interesse der Leistungserbringer eine Rolle spielen mag. Es gibt einfach im Medizinsystem auch schwarze Schafe. Eine Pauschalverurteilung ist aber nicht gerechtfertigt.  Bei Untersuchungen, bei denen es um Früherkennung von Krebs geht, kann man das aber nicht generell sagen, da es um Abwendung von erheblichen Gesundheitsschäden geht. Der PSA-Wert ist unbestritten einer der besten Tumormarker der Medizin. Allerdings sollte seine Anwendung nicht unkritisch und gießkannenmäßig erfolgen, sondern ist im Kontext mit anderen klinischen Werten und vom Risikoprofil des individuellen Patienten zu sehen. Die Interpretation der Werte bedarf in der Regel Spezialkenntnisse und kann nicht einfach vom Labor aus erfolgen.

Was wird bei einem PSA-Test untersucht?

Untersucht wird das Prostata-spezifische Antigen in einer Blutprobe. PSA ist ein Enzym, das nur in der Prostata gebildet wird und das typischerweise bei Patienten mit Prostatakrebs im Blut erhöht ist. Allerdings kann ein Wert alleine nicht besagen, ob Krebs vorliegt oder nicht. Der Wert ist auch bei gutartigen Prostataerkrankungen erhöht, dann aber meistens nur wenig oder er steigt über die Jahre hin nur wenig an. Sehr sinnvoll ist es daher, wenn man mehrere PSA-Werte über die Jahre verteilt hat und zur Beurteilung heranziehen kann.

Wieso ist ein PSA-Test sinnvoll?

Zusammen mit anderen klinischen Befunden (Tastbefund der Prostata, Ultraschall der Prostata, weiteren PSA-abgeleiteten Werten, evtl. MRT) trägt der Wert entscheidend dazu bei, ob ein Prostatakrebs vorliegt, eine Prostataentzündung oder nur eine altersgemäße Prostatavergrößerung. Besonders geeignet ist der PSA-Wert bei der Beurteilung eines Heilerfolges nach Behandlung eines Prostatakrebses. So liegt der Wert nach einer Entfernung der Prostata bei 0,0 und beweist in den meisten Fällen dadurch eine Heilung. Im Falle einer Rückkehr des Krebses  (Rezidiv) steigt der PSA-Wert meist wieder an und kann früh entdeckt und behandelt werden. Eine Früherkennung des Prostatakrebses ist derzeit nur durch PSA möglich, da im Anfangsstadium sonst keine Symptome oder Beschwerden auftreten.

Ab welchem Alter ist er zu empfehlen?

Die Leitlinien zur Früherkennung des Prostatakrebses empfehlen eine Untersuchung ab dem 45. Lebensjahr. In Risikofamilien (Prostatakrebs oder Brustkrebs bei nahen Verwandten) sollte schon ab dem Alter 40 untersucht werden. Es reichen dann meist Kontrollen in 1-2-jährigem Abstand. Eine fachärztliche Beratung über den Test und seine Folgen wird angeraten. Es geht darum, den Krebs in einem Frühstadium zu entdecken. Im hohen Alter dagegen wird der PSA-Test nicht mehr als Routinetest empfohlen und auch eine Therapie des Krebses ist dann oft nicht notwendig.

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