Patientinnen erzählen

Nach dem ersten Schock der Diagnose Brustkrebs begeben sich viele betroffene Frauen und auch Angehörige auf die Suche nach Erfahrungsberichten, um eine Vorstellung zu bekommen, was in den kommenden Monaten auf sie zukommen kann und sicher auch um Hoffnung und Trost zu finden.
Wir sind davon überzeugt, dass die Geschichten von Patientinnen, die bereits einen ähnlichen Weg gehen mussten, hilfreich sein können – und haben daher Patientinnen gebeten, ihre persönliche Geschichte zu erzählen.

Denise: "Hör auf Dich selbst!"

„Hör auf Dich selbst, Dein Gefühl und setz Dich durch“ – das ist der Rat, den Denise Wenglewski sich selbst mit auf den Weg geben würde, könnte sie heute mit ihrem ich aus dem Frühjahr 2018 sprechen. Im Mai 2018 wurde bei ihr Brustkrebs diagnostiziert – mit gerade einmal 31 Jahren. Schon viel früher wird sie das erste Mal mit dem Thema Brustkrebs konfrontiert: 2004, Denise ist damals 17, erkrankt ihre Mutter – mit 41 Jahren. Ein aggressiver Tumor mit Lymphknotenbefall. Nach zwei Jahren mit vielen Höhen und Tiefen verliert sie den Kampf gegen den Krebs – und Denise viel zu jung ihre Mutter.

2011 erkrankt auch die Tante von Denise, die Schwester ihrer Mutter, an Brustkrebs. Die Tante erfährt durch einen Gentest, dass sie Trägerin des BRCA1-Gens ist. Aufgrund dieses Ergebnisses, entscheidet sich auch Denise für einen Gentest – sie will Klarheit, ob sie besonders gefährdet ist, selbst an Brustkrebs zu erkranken. Doch der Gentest ist negativ – sie trägt keines der bekannten Brustkrebs-Gene wie BRCA1 oder 2 in sich. Dennoch wird sie als Risikopatientin eingestuft und besucht von nun an jährlich das Brustzentrum der Asklepios Klinik Barmbek für eine erweiterte Vorsorgeuntersuchung per Ultraschall.

So auch im Mai 2018. Gynäkologin Lilli Kock entdeckt eine Auffälligkeit im Ultraschall. Es erfolgt ein zweiter Ultraschall und eine Biopsie. Das Ergebnis ist zunächst nicht eindeutig – was Denise erstmal positiv sieht, denn einen Tumor würde man eindeutig zuordnen können, hofft sie. Sie ist also vorsichtig optimistisch, plant eine Reise mit ihrer Betriebssportgruppe nach Dänemark. Weil die Pfingstfeiertage dazwischenkommen, verzögert sich das endgültige Ergebnis – trotz allem Optimismus eine nervenaufreibende Zeit. Eine Woche nach der Biopsie erhält sie schließlich die Diagnose. Brustkrebs. 1.000 Fragen schießen durch ihren Kopf, alte Wunden brechen auf. „So klischeehaft es auch klingt, ich fühlte mich wie in einem Film. Fremdgesteuert. Als ob ein Zug an mir vorbeirauscht.“

Direkt nach der Diagnose ist da erstmal der Schockzustand. Denise wünscht sich eigentlich noch eine weitere Untersuchung (MRT) zur Abklärung – aber alles geht auf einmal sehr schnell, es bleibt kaum Zeit, die eigenen Gedanken zu ordnen, geschweige denn, Wünsche durchzusetzen. „Das würde ich heute anders machen. Auch wenn alle hier im Brustzentrum – allen voran die Breast Care Nurses Ina und Uta – mich toll beraten, unterstützt und behandelt haben, hätte ich noch mehr gefragt, mir Zeit genommen und mehr auf mein Bauchgefühl gehört – damit man die Therapie dann auch voller Überzeugung und Energie beginnt.“ Immerhin, der Tumor ist gut operabel. Aber aggressiv, es soll also schnell gehen. Am 31. Mai (eine gute Woche nach der Diagnose) wird Denise von Chefärztin Dr. Scholz und Dr. Schon  operiert und der Tumor wird größtenteils entfernt. Da der Tumor größer ist, als zuvor auf dem Ultraschall ersichtlich, wird in der Tumorkonferenz entschieden, dass in einer zweiten Operation (nach der Chemotherapie) das komplette Drüsengewebe entfernt wird und die Brust durch Silikon gleich wieder aufgebaut wird. Dies ist unteranderem durch die Kooperation mit Herrn Dr. Pasel, der plastischer Chirurg ist, möglich.

Vier Wochen nach der Operation beginnt die Chemotherapie, im MVZ in der Asklepios Klinik Barmbek. Alle drei Wochen erhält sie hier das große Komplettpaket, insgesamt vier Mal, danach wöchentlich 12 „kleinere“ Therapien.  Durch die Chemotherapie kommt Denise gut – und ist davon überzeugt, dass vieles auch Einstellungssache ist. „Ich habe mir immer wieder bewusst gemacht, wofür ich das mache. Für mein Leben. Ich habe die Chemotherapie nicht als Gift, sondern als das gesehen, was sie ist: Ein Heilmittel, das mir hilft, weiterzuleben.“ Um den Körper in dieser Phase zu unterstützen, achtet Denise besonders auf sich. Viel Flüssigkeit, ausreichend Vitamine und viel Bewegung – vom Spaziergang über meditatives Yoga bis hin zur schweißtreibenden Pilates-Stunde – immer das, was gerade machbar ist.

Auch beim Thema Haarausfall nimmt sie das Heft selbst in die Hand. Sie wünscht sich, die Hochzeit ihrer Stiefschwester noch mit langen Haaren zu erleben – und als tatsächlich auch erst einen Tag nach der Hochzeit die ersten Anzeichen sichtbar werden, macht sie einen Termin beim Perückenstudio und kurzen Prozess. Lieber direkt eine Glatze, „als überall die Haare rumliegen haben.“

Psychisch macht ihr vor allem zu schaffen, dass ihr Kinderwunsch zurückgestellt werden muss. Sie begegnet diesem schwierigen Thema offen und klar – hinterfragt sich und ihre Ziele, spielt sogar mit dem Gedanken, den Job zu wechseln und ihr gesamtes Leben umzukrempeln. „In dieser Zeit hat mir die Unterstützung einer Psychotherapeutin sehr geholfen. Sie hat mir dabei geholfen, den für mich richtigen Weg zu finden.“ Für Denise heißt das: Sie bleibt im alten Job, reduziert aber ihre Arbeitszeit. Denn sie will Zeit für ein Ehrenamt haben – und unbedingt mal wieder Reiten, ein Hobby, dass sie seit Kindertagen aus den Augen verloren hatte. Und auch der Kinderwunsch ist keineswegs abgeschrieben – aber verschoben, damit der Körper nach Chemo-, Bestrahlung- und Antikörpertherapie ausreichend Zeit zur Erholung hat. „Ich würde niemals sagen, dass ich dankbar für die Krankheit bin. Aber sie hat einen Erfahrungsprozess angestoßen, der mir geholfen hat, mich selbst besser kennenzulernen und mich damit auseinanderzusetzen, was ich wirklich will.“

Dabei hilft ihr auch ein sehr unterstützendes Umfeld. „Meine Familie, mein Verlobter und der gesamte Freundeskreis waren und sind für mich da – haben mich aber nie wie eine zerbrechliche Kranke behandelt. Diese Normalität war ganz wichtig für mich.“ Außerdem macht sie während der Chemotherapie die Bekanntschaft andere Patientinnen: „Der Austausch mit anderen, die ähnliches erleben, tat und tut mir sehr gut.“

Und so ist der Austausch mit anderen auch eines der Dinge, die Denise Brustkrebspatientinnen besonders ans Herz legt: „Kapsel Dich nicht ab. Rede, such Dir bei Bedarf Hilfe – ob professionell bei einem Therapeuten, in der Familie oder bei alten und neuen Freunden. Der Austausch ist wirklich Gold wert!“ Außerdem ermutigt sie dazu, sich selbst ernst zu nehmen und auch während der fremdbestimmten Therapiezeit eigeninitiativ und aktiv zu bleiben. „Ich musste erst lernen, auf mein Gefühl zu hören, mir Dinge während der Therapie auch mal doppelt erklären zu lassen und für mich einzustehen – zum Beispiel, einen Chemotherapie-Termin verschieben zu lassen, damit ich ein Konzert in der Elbphilharmonie besuchen konnte.“

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