Herzrhythmusstörungen effektiv behandeln - Interview mit Chefarzt Dr. Elvan Akin des Asklepios Klinikum Schwalmstadt

Gelegentlicher Druck auf der Brust ohne Vorzeichen, Schwindel und Ohnmacht aber auch phasenweise Schwitzattacken können auch Symptome von Herzrhythmusstörungen sein. Es sind nicht immer ältere Menschen betroffen. Wir haben dazu Chefarzt Dr. Elvan Akin Asklepios Klinikum Schwalmstadt befragt. Er ist ein langjähriger Experte auf diesem Gebiet und behandelt vorwiegend Menschen mit Herzrhythmusstörungen.

Bild: hgz-akin

Ist das Herz nicht nur ein Muskel?

Dr. Elvan Akin: Das Herz eines Menschen selbst besteht letztlich aus zwei Herzen. Einem rechten und linken Herzen, welche miteinander verwachsen sind und von einer Scheidewand getrennt werden. Beide Herzen bestehen aus Muskulatur und Klappen. Beide Herzen haben einen Vorhof und eine Kammer, wobei die Kammer die Hauptarbeit zur Pumpleistung beiträgt. Die Muskulatur verrichtet die Pumparbeit und die Klappen dienen dem Blutfluss und gewähren wie ein Ventil die richtige Flussrichtung des Blutes. Das Herz arbeitet wie eine Saug-Druck-Pumpe. So fördert das rechte Herz das sauerstoffarme Blut in die Lungen. Das linke Herz erhält das sauerstoffreiche Blut aus den Lungen und fördert es über die Hauptschlagader in den großen Körperkreislauf.

Wie müssen wir uns die Funktion vom Herzen vorstellen?

Dr. Elvan Akin: Für die einwandfreie Funktion aller Körperzellen ist eine ausreichende Zufuhr und Abfluss von Nähstoffen und  Stoffwechselendprodukten erforderlich. Dazu ist ein gut regulierter Blutkreislauf notwendig. Die Regulierung erfolgt über Nervenfasern und Hormonen, welche auf die Pumpe des Lebens (Herz) einwirken. Das Herz eines erwachsenen Menschen schlägt am Tag circa hunderttausend Mal. Die Anzahl des individuellen Herzschlages hängt beim gesunden Menschen sehr von seinem Trainingszustand ab. Es wird reguliert und passt sich in seiner Arbeit allen Lebenslagen in jeder Sekunde an.

Wie wird das Herz genau gesteuert?

Dr. Elvan Akin: Damit diese Arbeit des Herzens exakt gesteuert werden kann, sind Signalgeber und Leitstrukturen erforderlich. Im Einzelnen werden diese Sinusknoten (quasi Zündkerze) und Reizleitung (Leitungskabel) genannt. So ist im Vorhof des rechten Herzes der Sinusknoten gelegen. Es handelt sich dabei um eine Ansammlung spezieller Zellen, welche zusammen die Größe eines Reiskorns ausmachen. Dieser bildet pro Minute in Ruhe circa 60 bis 80 Impulse. Diese breiten sich in beiden Vorhöfen wie eine Welle aus und bewirken eine Kontraktion der Vorhöfe. Dadurch pumpen die Vorhöfe das Blut in die Kammern der Herzen. An einer Stelle in der Scheidewand liegt ein Leitungskabel zwischen den Vorhöfen und den Kammern. Das Signal bzw. die Erregungswelle wird an dieser Stelle in die Kammern geleitet und erregt dort die Kammern. Die Kammern pumpen dadurch das Blut dann weiter in die Lunge (rechtes Herz) und Hauptschlagader (Körperkreislauf).

Wie kann man mit sehr einfachen Mitteln die Herzaktion beurteilen?

Dr. Elvan Akin: Das Pumpen der Kammern kann man durch tasten des Pulses wahrnehmen. Anhand der Regel- oder Unregelmäßigkeit erhält man so mit einfachen Mitteln Hinweise auf eine Rhythmusstörung.

Wie entstehen Herzrhythmusstörungen?

Dr. Elvan Akin: Die Grundlage der Entstehung von Rhythmusstörungen ist die Schädigung oder Fehlbildung der Herzmuskulatur. So sind  Herzrhythmusstörungen sowohl bei Erwachsenen aber auch bei Kindern möglich. Die Schädigung der Herzmuskulatur kann sehr viele Ursachen haben. Sie kann sich auf einen sehr kleinen Bereich aber auch über größere Bereiche erstrecken. Eine abgelaufene kleine Entzündung mit der Größe einer Stechnadelkopfes bis hin zu ausgedehnten Schädigungen der gesamten Muskulatur durch Entzündung, Fehlbildung der Muskulatur oder Minderdurchblutung sind möglich. Aus diesen geschädigten Bereichen werden im Zuge der Entzündungsreaktion aber auch Teilvernarbungen Störsignale erzeugt. Diese stören den normalen Rhythmus des Herzen und werden Herzrhythmusstörungen genannt. Es ist daher unbedingt eine ganzheitliche Betrachtung des Herzen in seiner Struktur und Funktion erforderlich.

Welche Art von Herzrhythmusstörungen gibt es?

Dr. Elvan Akin: Je nach Ort der Gewebeschädigung werden die daraus folgenden Rhythmusstörungen in Vorhof- und Kammerrhythmusstörungen eingeteilt. Eine weitere Einteilung ist, ob diese symptomatisch sind oder nicht. Eine wichtige Einteilung jedoch ist, ob die Rhythmusstörung leistungsmindernd oder lebensgefährlich ist.

Wie macht sich eine Herzrhythmusstörung bemerkbar?

Dr. Elvan Akin: Rhythmusstörungen können sich durch Schwindel, Ohnmacht oder phasenweise Leistungsminderung wie auch Schwitzattacken bemerkbar machen. Denn sehr häufig kommen Rhythmusstörungen nicht durchgehend vor, sondern sind phasenweise vorhanden. Eine solche Phase kann gelegentlich auch von äußeren oder inneren Umständen wie Stress, Ruhe, Erholung oder Nahrungsaufnahme (u.v.a.) abhängig sein. Sehr häufig jedoch kommen die Rhythmusstörungen unverhofft.

Kann ich anhand der Beschwerden die Herzrhythmusstörungen unterscheiden?

Dr. Elvan Akin: Die Unterscheidung der Rhythmusstörungen nach Vorhof oder Kammer anhand der Symptome ist nicht möglich. Da Vorhof und Kammerrhythmusstörungen objektiv betrachtet dieselben Symptome machen können.

Wie ist das richtige Vorgehen bei Herzrhythmusstörungen?

Dr. Elvan Akin: Zur Unterscheidung ist vielmehr eine Aufzeichnung der Rhythmusstörung im EKG erforderlich. Das EKG ist in fast jeder Arztpraxis oder Notaufnahme verfügbar. Bei sporadisch vorkommenden Rhythmusstörungen sind Langzeitaufzeichnungen im 1- bis 7-Tages-EKG sinnvoll. Bei sehr sporadisch vorkommenden Rhythmusstörungen gibt es die Möglichkeit der Aufzeichnung mit implantierbaren Rekordern, welche die  Größe einer Füllerpatrone haben. Diese werden in Lokalanästhesie unter die Haut gesetzt. Alternativ gibt es jedoch eine große Auswahl an kleinen mobilen EKG als Uhr oder sehr kleine tragbare Geräte. Die Aufzeichnungen sollten dann mit dem Kardiologen oder Rhythmologen gesichtet und besprochen werden, da die reine technische Auswertung der EKG-Aufzeichnung durch die Geräte selbst sehr fehlerbehaftet ist.

Wie ist die Behandlung von Herzrhythmusstörungen?

Dr. Elvan Akin: Die Behandlung richtet sich nach Art der  Herzrhythmusstörung. Das Ziel der Therapie ist, die oben genannten Entzündungs- oder Narben-Zonen in ihrer Erregbarkeit zu unterdrücken. Dazu kommen Medikamente zum Einsatz aber auch Ablationstechniken. Da es auch Rhythmusstörungen gibt, welche Schlaganfall durch Gerinnselbildung im Herzen verursachen können, werden auch Blutverdünnungsmittel (Antikoagulantien) verordnet. Bei der medikamentösen Therapie gibt es die Option der  bedarfsweisen Einnahme von antiarrhythmischen Medikamenten, wenn die Rhythmusstörung sehr selten vorkommt. Der Nachteil der medikamentösen Therapie ist jedoch, dass diese nicht nur auf die Bereiche des Herzes wirken, welche die Rhythmusstörungen machen. Sie wirken auch auf den normalen Taktgeber und auch den Blutdruck des Herzes. Dadurch werden zwar die Rhythmusstörungen zum Teil unterdrückt, jedoch haben viele Menschen dann Beschwerden durch zu langsamen Puls und/oder niedrigen Blutdruck.

Ist die Ablationstherapie risikoärmer als Medikamente?

Dr. Elvan Akin: Die Ablationstherapie ist eine standardisierte und Routinetherapie von Rhythmologen. Sie wird seit mehr als 40 Jahren angewendet. Aktuell erfolgt der Eingriff in einer leichten Sedation, circa einer Stunde haben. Sie erfolgt durch die Leiste wie beim Herzkatheter. Es werden letztlich die Narben- oder Entzündungszonen durch Ablation/Verödung abgeschaltet. Das Risiko eines solchen Eingriffs ist bei circa ein bis zwei Prozent und damit als niedrig zu werten.

Wie ist der Vergleich einer Ablationstherapie zur medikamentösen Therapie?

Dr. Elvan Akin: Die meisten Herzrhythmusstörungen lassen sich durch die Ablationstherapie kurativ behandeln mit einer Erfolgsrate von circa 80 bis 95 Prozent. Das ist deutlich besser als die medikamentöse Therapie mit maximalen Erfolgsraten von circa 50 bis 60 Prozent. In der Nutzen-Risiko-Abwägung ist die Ablationstherapie eindeutig der medikamentösen Therapie überlegen. Die medikamentöse Therapie stellt nur eine palliative Maßnahme dar.

Wie sollte das Vorgehen bei Herzrhythmusstörungen sein?

Dr. Elvan Akin: Idealerweise wäre eine Aufzeichnung der Rhythmusstörung im EKG erforderlich und auch eine strukturelle Untersuchung des Herzes mit Ultraschall (Echo) und Belastungs-EKG. Mit diesen Befunden sollte man sich bei einem Rhythmologen vorstellen zur Frage nach individuell optimaler Therapie.

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