„Wir leisten einen wesentlichen Teil zur Daseinsvorsorge“

Kritiker behaupten, bei privaten Krankenhausträgern stehe die Wirtschaftlichkeit im Fokus – nicht Medizin und Pflege. Asklepios CEO Kai Hankeln hat dazu eine klare Haltung und spricht im Interview über Gewinnmargen, eine notwendige Überarbeitung der Kliniklandschaft und Asklepios' Rolle als Gesundheitsdienstleister – nicht nur in Zeiten der Corona-Pandemie.

Manche Politiker behaupten, Krankenhäuser gehören grundsätzlich in öffentliche Hand. Inwiefern kann ein privater Träger überhaupt Daseinsvorsorge leisten?

Zunächst einmal: Kliniken tragen unabhängig von der Trägerschaft mit ihren Behandlungsangeboten zur Daseinsvorsorge bei. Das Problem des Gesundheitswesens sind nicht die Träger, insbesondere nicht die privaten, die ihre Gewinne (Eigenmittel) investieren, sondern Bundesländer, die ihren Investitionsverpflichtungen seit vielen Jahren nicht nachkommen und so das Gesundheitssystem finanziell ausgehöhlt und kaputtgespart haben. Die gleichen Bundesländer beziehungsweise deren Politiker sind es, die dann gern das Narrativ bedienen, private Konzerne und der Kapitalismus seien das Problem.

Der Klinik-Cluster von Asklepios in Hamburg lässt sich mit den Klinikketten in öffentlicher Hand in Bremen („Gesundheit Nord“) und Berlin („Vivantes“) vergleichen. Was ist bei Asklepios anders?

Ganz einfach: Anders als die anderen Ketten hat Asklepios in Hamburg Gewinne generiert und inzwischen über eine Milliarde Euro Eigenmittel investiert. Dadurch gibt es in Hamburg keinen Investitionsstau mehr, und Stellen, zum Beispiel beim Pflegepersonal und insbesondere bei Intensivkräften, wurden deutlich aufgebaut. Wir wirtschaften sinnvoll, verschwenden keine Steuermittel und sind schnell in unseren Entscheidungen. Kein Cent der Gewinne in Hamburg wurde seit der Privatisierung an die Gesellschafter ausgeschüttet!

Können Sie das näher erläutern: Warum sind Gewinne so wichtig?

Sie sind zwingend notwendig, um investieren zu können. Nur so können wir eine zeitgemäße Infrastruktur aufrechterhalten und in modernste Medizintechnik und Innovation investieren. Der Staat drückt sich leider vor seiner Verantwortung. Die investiven Verpflichtungen der Bundesländer liegen laut Bundesrechnungshof jährlich bei rund sieben Milliarden Euro. Die Bundesländer leisten aber nur drei bis max. vier Milliarden. Und das seit Jahren. Bundesländer wie Hamburg feiern sich sogar noch dafür, dass sie besser im Nicht-Finanzieren sind als andere, und fordern zum Beispiel für den Neubau Altona 150 Mio. Euro Eigenanteil von Asklepios, obwohl die Investitionsverpflichtung bei der Stadt liegt. Hinzu kommt, dass kommunale Kliniken oder Universitäten meist hoch defizitär sind. Diese werden dann mit Millionen-Subventionen aus Steuermitteln Jahr für Jahr am Leben gehalten und trotz Defiziten hofiert. Medien und Politik geißeln zugleich die privaten Träger für ihre Gewinnmargen-Orientierung. Dabei wird gern Irreführung betrieben, wenn die EBITDA-Margen angeführt werden, von denen noch Steuern zu zahlen und Abschreibungen zu finanzieren sind. Mit unserer Gewinnmarge von gut fünf Prozent leisten wir die Investitionen. Wir sind keine Aktiengesellschaft, sondern ein Familienunternehmen in der Rechtsform der GmbH und Co. KGaA mit einem Familieneigentümer. Wir sind nicht an Dividenden interessiert, sondern an Nachhaltigkeit.

Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde behauptet, private Klinikbetreiber würden aus ökonomischen Gründen keine Covid-19-Patienten behandeln – was ist tatsächlich passiert?

Das sind reine Fake-News nach dem Vorbild Donald Trumps. So wird Stimmungsmache in Deutschland betrieben. Wir haben SPD-Politiker Karl Lauterbach, der dies geäußert hat, um Klarstellung gebeten, aber keine Antwort erhalten. In Hamburg wurde das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) von der Freien und Hansestadt Hamburg als „Corona-Held“ ausgezeichnet und Asklepios ignoriert. De facto haben die Hamburger Asklepios Kliniken die meisten Corona-Patienten in der Hansestadt versorgt. Die fehlende Anerkennung hat unsere Mitarbeiter, die in der Pandemie hart gearbeitet und viel geleistet haben, sehr getroffen. Hinzu kommt, dass das UKE eine Finanzspritze in Höhe von 40 Mio. Euro von der Stadt erhielt, weil es in der Coronakrise Verluste machte. Die anderen Häuser gingen derweil leer aus. Das dokumentiert eine grobe Ungleichbehandlung.

Wie sieht generell die Corona-Bilanz von Asklepios aus?

Unsere Häuser kommen über alle Maßen ihren Versorgungsaufträgen nach. In vielen Kliniken, etwa in Goslar, Gauting, Kandel oder Hamburg, haben wir zudem Patienten aus anderen europäischen Ländern versorgt. Und in Schwedt sind wir sogar Corona-Zentrum und einer der wenigen Versorger in der Region.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft spricht von einer Unterfinanzierung der Kliniken, andere Experten widersprechen und behaupten, es gäbe genug Geld im System, es sei nur falsch verteilt. Wie sehen Sie das?

Das deutsche Gesundheitssystem zählt zu den teuersten der Welt. Es ist also eine Verteilungs-, vor allem aber eine Strukturfrage. Die Vergütung der Kliniken ist laut OECD die schlechteste aller Länder. Das ist politisch gewollt, um die Krankenhauslandschaft über wirtschaftlichen Druck zu bereinigen. Neben dem direkten finanziellen Druck werden Strukturkriterien definiert, die oft nicht zu erfüllen sind. Dann kommen Heerscharen von Mitarbeitern des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zur Abrechnungsprüfung, und die Kassen überziehen die Kliniken mit falschen Vorwürfen. Muss ein Haus schließlich geschlossen werden, sind die Betreiber schuld. Zugleich werden defizitäre kommunale Häuser über Subventionen am Leben gehalten – man belohnt also schlechtes Wirtschaften.

Seit einiger Zeit wird eine Reform der Kliniklandschaft diskutiert: Haben wir tatsächlich zu viele Krankenhäuser in Deutschland?

Ja, es gibt zu viele Kliniken. Dabei geht es nicht darum, eine wohnortnahe Versorgung aufzugeben. Viele Landkreise haben mehrere kleine Kliniken, die allerdings weniger leistungsfähig sind. Qualität hängt auch mit der Häufigkeit von Eingriffen, mit Übung und Routine zusammen. Diesbezüglich sind größere Häuser einfach besser aufgestellt. Ein weiteres Problem ist, dass zu viele Patienten in Deutschland stationär statt ambulant versorgt werden. Der ambulante Sektor ist dafür nicht gewappnet und die Sektorengrenzen nicht hilfreich. Kurzum: Spezialisierte, besser ausgestattete Kliniken mit höheren Fallzahlen und besserer Qualität sind für alle ein Vorteil. Das funktioniert auch wohnortnah.

Auch das System der Fallpauschalen wird infrage gestellt, angeblich hat es die Ökonomisierung und den Aufstieg privater Klinikbetreiber begünstigt. Wie sehen Sie das?

Die Regelungen sind für alle gleich. Nicht das Diagnosis-Related-Groups-System, kurz DRG (siehe Kasten unten), führt zu einer Schieflage, sondern die Tatsache, dass die Bundesländer ihren Investitionsverpflichtungen nicht nachkommen und dass die Erlöse für die DRG hierzulande im internationalen Vergleich halb so hoch sind wie zum Beispiel in Frankreich. Nichtsdestotrotz sind wir keine Freunde des DRG-Systems (siehe Kasten unten). Capitation-Modelle beispielsweise wären ein deutlicher Vorteil für die Versorgung. Aber die sind politisch nicht gewollt.

Gewollt ist derweil die Digitalisierung. Im internationalen Vergleich bildet Deutschland jedoch die Nachhut …

Zunächst einmal ist hier das Bundesministerium für Gesundheit zu loben. Mit der Digital Hub Initiative fördert Bundesgesundheitsminister Jens Spahn digitale Innovation im Gesundheitswesen. Auch mit dem Krankenhauszukunftsgesetz werden finanzielle Mittel ins System eingebracht, die einen Digitalisierungsschub ermöglichen – zumindest so lange, wie die Bundesländer diese Mittel an anderer Stelle nicht wieder entnehmen. Die jahrelange Unterfinanzierung bei Investitionen ist der wichtigste Grund für den Rückstand Deutschlands bei der Digitalisierung im Gesundheitssystem.

Wie geht Asklepios mit dem Thema Digitalisierung um?

Wir haben die Strategie „Digital HealthyNear“ ausgerufen und wollen unsere digitalen Angebote für die Menschen optimal nutzbar machen. Dabei sind wir in vielerlei Hinsicht Vorreiter. Wir entwickeln KIS-Systeme (Krankenhausinformationssysteme) hin zum papierlosen Krankenhaus und optimieren die Prozesse. Wir haben, anders als andere, auch private Träger, standardisierte IT-Systeme und ein zentrales Rechenzentrum installiert. Wir standardisieren unsere Prozesse, und wir halten die digitale Patientenakte, die digitale Personalakte oder eine webbasierte Entlassmanagementplattform für sehr wertvoll, weil all diese Standards unseren Mitarbeitern viel Zeit sparen. Diese Zeit steht dann Patienten zur Verfügung. Denn man muss wissen: Der Dokumentationsaufwand bei Ärzten und Pflegepersonal ist mit 40 bzw. 30 Prozent der Arbeitszeit enorm. Eines unserer Hauptziele ist daher der Kampf gegen die Überbürokratisierung.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Eine sichere Finanzierung von Investitionen und angemessene Erlöse für erbrachte Leistungen, wie sie in vergleichbaren Nachbarstaaten üblich sind, sowie eine Beendigung von Subventionen für bevorzugte Krankenhäuser. Auch muss klar sein, dass in Ausnahmesituationen wie einer Pandemie Vorhaltekosten ohne große Diskussionen erstattet werden. Für die Mitarbeiter wäre darüber hinaus eine Reduktion von Bürokratie und Dokumentationsaufwand hilfreich. Zudem wünschen wir uns Unterstützung bei der Akquise von Fachkräften. Und: Die Kliniklandschaft muss dringend überarbeitet werden. Statt historischer Strukturen sollte der Versorgungsbedarf im Vordergrund stehen. Gemeinsam müssen wir die Digitalisierung vorantreiben, um sie nicht ausländischen Unternehmen zu überlassen. Und nicht zuletzt muss Schluss sein mit Diskreditierungen wegen der Trägerschaft. Stattdessen sollte nach Leistung beurteilt werden. Es ist doch absurd, wenn sich unsere Kliniken in der Pandemie als starke Säule der Versorgung erweisen und gleichzeitig Rekommunalisierungen gefordert werden. Hier muss endlich ein Umdenken stattfinden, denn wir leisten einen wesentlichen Teil zur Daseinsvorsorge.

Schon gewusst?

Diagnosis Related Groups bzw. Diagnosebezogene Fallgruppen, kurz DRGs, dienen als Grundlage für ein leistungsorientiertes Vergütungssystem, bei dem stationäre Krankenhausbehandlungen über Fallpauschalen abgerechnet werden. Davon ausgenommen sind Psychiatrien und Rehabilitationseinrichtungen.

Bei sogenannten Capitation-Modellen werden Gesundheitsdienstleistungen von Krankenhäusern oder Ärzten über einen bestimmten Zeitraum pauschal vergütet. Das zum Beispiel in der Schweiz und in Großbritannien angewandte Prinzip belohnt insbesondere die Qualität der Betreuung sowie präventive Maßnahmen.

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