RV 28: Psychiatrie und Psychotherapie

Michael Leistner, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Asklepios Fachklinikum Wiesen, hat am 22. April im Rahmen der Ringvorlesung Asklepios Centers of Excellence am ACH über die Themen Burnout und Depression referiert.

Ringvorlesung 28 am ACH
Michael Leistner, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Asklepios Fachklinikum Wiesen

„Burnout und Depression – Charakterschwäche oder Krankheit?“ – diesen provozierenden Titel hatte der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie aus dem Fachklinikum Wiesen in Wildenfels (Landkreis Zwickau) bewusst gewählt. Für die Studierenden des Asklepios Campus Hamburg stellte er in einem interessanten und temporeichen Vortrag zunächst die Häufigkeit und später die Ursachen, Symptome, Diagnostik und Therapiemöglichkeiten psychischer Leiden vor.

In einer Studie im Auftrag des Robert-Koch-Instituts zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS) von 2009-2012 wurden 8152 Männer und Frauen zwischen 18 und 79 Jahren in Untersuchungszentren und zu Hause nach psychischen Störungen befragt. Das Ergebnis: Im Schnitt war in diesen Jahren genau ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung von mindestens einer Störung betroffen. Dabei machten die Angststörungen den größten Teil aus, gefolgt von Alkoholstörungen, Depressionen und Zwangsstörungen. Erstere betrafen mehr als doppelt so viele Frauen wie Männer, beim Thema Alkohol vier Mal so viele Männer wie Frauen. Die Folgen verdeutlichte der Gesundheitsatlas der Betriebskrankenkasse (BKK) aus dem Jahr 2015, für den die Daten von 4,3 Millionen Versicherten analysiert worden waren. Demnach entfielen im Erhebungszeitraum 15 % der Krankheitstage (im Schnitt 40 Tage) auf psychische Erkrankungen; bei affektiven Störungen (d.h. eine krankhafte Veränderung der Stimmungslage), die den größten Teil der psychischen Diagnosen darstellten, waren es sogar fast 60 Tage. Im Depressionsatlas der Techniker Krankenkasse aus dem gleichen Jahr fand sich ein weiteres wichtiges und erschreckendes Detail: Die Fehlzeiten aufgrund einer Depression sind zwischen 2000 und 2013 um fast 70 Prozent gestiegen. „Daher ist es kein Wunder, dass die Depression mittlerweile in Deutschland als Volkskrankheit bezeichnet wird“, stellte Michael Leistner fest. Die Zunahme der Erkrankungshäufigkeit sei zwar nicht mit Sicherheit zu belegen, aber durch bessere Diagnostik, einen Rückgang der gesellschaftlichen Stigmatisierung und eine bessere Aufklärung kämen zumindest mehr Betroffenen in Behandlung.

Erschöpfungszustand als Risikofaktor für Depression

Ringvorlesung 28 am ACH

Ins Zentrum seiner Vorlesung stellte Michael Leistner das Burnout-Syndrom als Form einer psychischen Störung, das seiner und der Meinung vieler Experten nach mögicherweise keine eigenständige Diagnose darstelle. Vielmehr beschreibe es einen durch äußere Umstände ausgelösten Erschöpfungszustand, der in eine Depression münden könne bzw. ein Risikofaktor für eine Depression sei. Der Peak für das Gefühl des Ausgebrannt-Seins läge dabei in Zeiten intensivster beruflicher Belastung (30-59 Jahre) und betreffe mehr Frauen als Männer. „Allerdings“, erläuterte der Referent aus Sachsen, „korreliert der Name der Krankheit mit der Art der Beschäftigung: Während ein Manager oder eine Managerin schnell mit der Diagnose Burnout konfrontiert wird, erhält zum Beispiel eine Reinigungskraft eher eine Depression attestiert. Die Bezeichnung der Diagnose hängt also vor allem vom sozioökonomischen Status eines Patienten oder einer Patientin ab.“

Bei einer Depression sei von einer Auslenkung der Neurotransmitter (Botenstoffe) wie zum Beispiel Serotonin, Noradrenalin oder Dopamin auszugehen, hinzu kämen dann allerdings eine Reihe von sozialen, psychischen und biologischen Faktoren, die den Ausbruch einer Depression begünstigten: Aktuelle psychosoziale Belastungen, eine genetische Disposition, die Persönlichkeitsneigung (wie z.B. Angstneigung oder Verschlossenheit), traumatische Erfahrungen (wie zum Beispiel der Verlust eines geliebten Menschen oder die Erfahrung von Hilflosigkeit), aber auch körperliche Faktoren oder physikalische Einwirkungen (wie z.B. Lichtmangel). Außerdem spielten bei der Entstehung der Problematik auch innere Faktoren wie Ehrgeiz oder starkes Bedürfnis nach Anerkennung sowie äußere Faktoren wie hohe Arbeitsanforderungen, Zeitdruck oder administrative Zwänge eine entscheidende Rolle. An Symptome könnten dann Verstimmung, Stimmungsschwankungen, Verlust an Spontaneität und Emotionalität, Hoffnungslosigkeit und als Folge sozialer Rückzug auftreten. Je nach Intensität werde in leichte, mittelgradige und schwere depressive Episoden unterteilt. Eine besondere Gefahr liege immer darin, dass Menschen mit diesen Zuschreibungen zum vermehrten Gebrauch von Suchtmitteln wie Alkohol, Nikotin und scheinbar leistungssteigernden Substanzen neigen können.

Depression ist gut behandelbar

Ringvorlesung 28 am ACH
Das Asklepios Fachklinikum Wiesen im Landkreis Zwickau (Sachsen).

Die gute Nachricht des Abends: „Bei einer Depression gilt ein Grundsatz: Sie ist eine mit gutem Ergebnis behandelbare Erkrankung.“ Je nach Ursache und Intensität einer Depression biete das Fachklinikum Wiesen mit 140 stationären Betten und 21 tagesklinischen Plätzen sowie einer Psychiatrischen Institutsambulanz verschiedene ambulante, teilstationäre und vollstationäre Therapieansätze an. Michael Leistner wies am Ende seines Vortrags bewusst darauf hin, dass in seinem Fachklinikum auch die sogenannte Elektrokonvulsivtherapie erfolgreich zum Einsatz käme, die allerdings vor allem durch problematische Veröffentlichungen in den Medien zeitweise in Misskredit geraten sei. „Eines darf man nicht vergessen: Diese seit 1938 praktizierte elektrische Auslösung generalisierter Krampfanfälle ist möglicherweise die effektivste Behandlungsform schwerer depressiver Episoden, dabei sicher und letztlich unverzichtbar“, klärte er sein junges Auditorium nach seinem ausgesprochen informationsreichen Vortrag auf. Abschließend lud er die Studierenden zu einer intensiv genutzten Fragerunde und sehr herzlich zu einer Famulatur oder einem Praktikum nach Wildenfels ein.

Ringvorlesung Asklepios Centers of Excellence am ACH

Nächster Termin:

06.05. RV 29 Interdisziplinäres Wirbelsäulenzentrum, Prof. Dr. med. Thomas Niemeyer, Asklepios Klinikum Wiesbaden 

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