Out of the box: Traditionelle Chinesische Medizin

PD Dr. med. Sven Schröder, geschäftsführender Direktor des HanseMerkur Zentrum für Traditionelle Chinesische Medizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), hielt am 4. Februar am Asklepios Campus Hamburg (ACH) die online-Auftaktveranstaltung zum neuen Wahlpflichtfach „Traditionelle Chinesische Medizin“ (TCM) als Out of the box-(OTB)-Vortrag.

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Lehrkoordinatorin Dr. Monika Grimm moderierte die Out of the box-Veranstaltung

Lehrkoordinatorin Dr. Monika Grimm begrüßte den Referenten des Abends und stellte die wichtigsten Stationen seines Werdegangs vor. Nach seiner Facharztausbildung an der Charité in Berlin und in Hamburg (überwiegend am UKE) erhielt der Neurologe seine TCM-Ausbildung in Akupunktur, Kräuterheilkunde sowie der manuellen chinesischen Behandlung Tuina bei der Deutschen Gesellschaft für Traditionelle Chinesische Medizin (DGTCM) und der Societas Medicinae Sinensis (SMS). Seit 2000 leitet er eine der großen Praxen für TCM in Hamburg. Außerem ist er seit der Gründung im Jahr 2010 geschäftsführender Direktor des HanseMerkur Zentrum für Traditionelle Chinesische Medizin am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE). Zur Vertiefung seiner Kenntnisse hat er mehrfach über Monate in China bei Alt-Ärzten hospitiert und leitet den TCM Masterstudiengang am UKE der gemeinsam mit der TCM-Universität Shanghai, wo er auch als Professor tätig ist.

"Diese Frage kommt auf Sie zu"

Vortrag TCM am ACH

„Herr Doktor, gibt es da nicht auch etwas Pflanzliches?“ Diese Frage kennt Dr. Sven Schröder gut. Einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach zufolge haben 77 % aller Deutschen schon einmal Naturheilmittel eingenommen oder würden sie einnehmen. 81 % aller Deutschen halten Naturheilmittel für wirksam oder teilweise wirksam. 2,1 Milliarden Euro werden pro Jahr mit pflanzlichen Arzneimitteln, sogenannten Phytopharmaka, umgesetzt. „Sie mögen Zweifel haben und dürfen auch kritisch sein, aber Sie sollten sich mit diesem Feld beschäftigen. Diese Frage eben kommt durch Ihre künftigen Patientinnen und Patienten garantiert auf Sie zu.“ Mit dieser deutlichen Aufforderung eröffnete der Referent die OTB-Vorlesung zum Thema TCM. In unregelmäßigen Abständen gewährt die OTB-Vorlesungsreihe den Studierenden am ACH in den unterschiedlichsten Bereichen außerhalb des Curriculums einen Blick über den Tellerrand.

Alle Bereiche einer Therapie gehören in ärztliche Hand

Vortrag TCM am ACH
Referent Dr. Sven Schröder ist geschäftsführender Direktor des HanseMerkur Zentrum für TCM am UKE.

Ihre mögliche Zurückhaltung legten die zuhörenden Studierenden spätestens bei der nächsten Zahl ab, die Dr. Schröder vorstellte: „92% der Patientinnen mit Brustkrebs verschweigen ihren konventionellen Ärzten eine komplementärmedizinische Behandlung.“ Dabei gehörten nach seiner Meinung alle Bereiche einer Therapie grundsätzlich in ärztliche Hand und sollten kollegial besprochen werden, damit Patientinnen und Patienten nicht falsch behandelt oder beraten werden. „Sie müssen einschätzen können, was hilfreich ist und was Scharlatanerie“, schrieb er gleich zu Beginn den künftigen Ärztinnen und Ärzten ins Stammbuch. Kenntnisreich und eingängig führte der erfahrene Experte seine Zuhörerschaft in die ganzheitliche Heilkunde der TCM ein. Sie fuße auf einer mehr als 2000 Jahren alten Tradition und habe sich durch ihre eingehende Diagnostik auch außerhalb ihres Ursprungslandes als Ergänzung zu schulmedizinischen Behandlungen etabliert.

Wirksamkeit seit mehr als 2000 Jahren dokumentiert

Out of the box TCM am ACH Plakat

Im Laufe des 90-minütigen Vortrags erläuterte Dr. Schröder zunächst die gesellschaftliche Relevanz komplementär-medizinischer Therapien. Dabei unterschied er zwischen der empirischen und der evidenzbasierten Medizin. Letztere gelte durch systematisch gesammelte und wissenschaftlich ausgewertete Daten als gestützt und belegt. Die empirische Medizin hingegen werde mit Erfahrungswissen ohne Beweis klinischer Wirksamkeit gleichgesetzt. Diese Beweise werden im Rahmen der TCM allerdings seit mehr als 2000 Jahren erbracht: Seit dem dritten Jahrhundert v. Chr. werde in ganz China eine einheitliche Schriftsprache gepflegt. So lange schon liege daher die schriftliche Überlieferung medizinischen Wissens vor, das permanent weiterentwickelt und heutzutage an den 58 staatlich geförderten und technisch hervorragend ausgestatteten TCM-Universitäten des Landes laufend klinisch überprüft werde.

Nebenwirkungsfreie bzw - arme Therapieform

Vortrag TCM am ACH

TCM beinhalte die unterschiedlichsten Therapieformen, von der Akupunktur über Ernährungsberatung bis zur chinesischen Arzneitherapie (Auskochungen, Kompaktate - das sind gepresste Extrakte -, Pillen oder Tropfen nach individuellen Rezepten aus 10.000 unterschiedlichen Heilpflanzen kombiniert), Tuina und die Bewegungstherapie Qi Gong. Ihnen allen sei gemein, dass sie bei sachgerechter Anwendung nebenwirkungsfrei oder -arm seien und kaum Wechselwirkungen mit konventionellen Therapien hätten. Die wenigen aber sollte man kennen, damit die Anwendung auch unterstützend neben Chemo-, Strahlentherapie oder Antibiotika zur Linderung wirken könne.

Gesamtfunktion eines Individuums erfassen

Vortrag TCM am ACH

Als Kern seines Vortrags bezeichnete Dr. Schröder den Vergleich der chinesischen mit der der westlichen Medizin. Hier konnte er die Ergebnisse der jahrtausendelangen Evolution der Empirischen Medizin mit den Methoden der evidenzbasierten „westlichen“ Medizin auf eindrucksvolle Weise belegen. „Gut beobachten, gut untersuchen und gut befragen, um so die Gesamtfunktion des Individuums zu erfassen “, beschreibt Dr. Schröder die Grundidee in der TCM. Eine gute Therapie bestehe aus seiner Sicht auf drei Faktoren: Aus der besten verfügbaren Informationslage aus wissenschaftlicher Literatur, der fachlichen Meinung des behandelnden Arztes und der persönlichen Präferenz des Patienten. Auch die Synergien aus westlicher und traditioneller chinesischer Medizin hob Dr. Schröder hervor. „Wenn man chinesische Medizin lernen möchte, muss man es ordentlich machen, da sie ein komplexes System der Therapie darstellt,“ resümiert Dr. Schröder und ergänzt: „Ein Wochenendkurs in Akupunktur reicht da nicht. Je früher man anfängt, desto früher wird man firm in diesem Thema“ – eine Chance, die sich den ACH Studierenden in diesem Frühjahrssemester mit dem neuen Wahlpflichtfach nun erstmalig bietet.

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