Große Unsicherheit, viele Fragezeichen, wenig Klarheit: Diskussionsrunde zu Krankenhausreform bei Asklepios Stadtklinik Bad Tölz

Anlässlich der geplanten Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach fand am 17. Juli in der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz eine Diskussionsrunde mit Vertretern aus der Politik sowie aus unterschiedlich strukturierten Krankenhäusern der Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach statt. Es wurde über mögliche Auswirkungen auf die ländliche Gesundheitsversorgung, auf die unterschiedlichen Klinikkonzepte sowie über Bedarfe, die im Rahmen einer Reform für die Kliniken entstehen würden, gesprochen.

Der Bundestagsabgeordnete Alexander Radwan hatte den gesundheitspolitischen Sprecher der CSU im Bundestag eingeladen und diskutierte die geplante Krankenhausreform der Bundesregierung gemeinsam mit dem Landtagsabgeordneten Martin Bachhuber, Landrat Josef Niedermaier, Wolfgang Krause (Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen), Felix Rauschek (Geschäftsführer, Stadtklinik Bad Tölz), Thomas Reichart (Personalleiter, Kreisklinik Wolfratshausen), Benjamin Barthold (Vorstand, Krankenhaus Agatharied), Dr. med. Andreas Liebl (Chefarzt Innere Medizin/Diabetologie, Fachklinik Bad Heilbrunn), Elina Bodenhausen (Klinikmanagerin, Asklepios Stadtklinik Bad Tölz), Marius Aach (Klinikkoordinator, Asklepios Stadtklinik Bad Tölz) und Prof. Dr. med. Rüdiger Ilg (Ärztlicher Direktor Asklepios Stadtklinik Bad Tölz).

Alle Anwesenden einte die große Unsicherheit. Die „Revolution im Krankenhauswesen“, wie Karl Lauterbach sie bezeichnet – ob sie nun über Level oder Leistungsgruppen durchgeführt wird – sei eine Bedrohung für kleine und mittlere Kliniken im ländlichen Raum, die eine feste Säule der gesundheitlichen Versorgung sind.

Insbesondere die vielen offenen Fragen der kürzlich vorgelegten Eckpunkte stießen auf viel Kritik. Das Papier enthalte noch zu viele Prüfaufträge, die Umsetzung der gewaltigen Reform sei nicht mit Finanzmitteln im Haushalt gedeckt und man wisse noch nicht, ob es überhaupt eine Brückenfinanzierung für die Krankenhäuser gebe. Ohne eine solche wäre die Zeit bis zum Inkrafttreten der Reform für viele Häuser nicht stemmbar. Die stark gestiegenen Kosten und Verluste versetzten die Krankenhäuser und auch Landrat Niedermaier in große Sorge. Stephan Pilsinger, selbst noch als Hausarzt tätig, skizzierte den Zeitplan der Reform in Berlin und warnte, dass man frühestens im Herbst weitere Details erfahren würde und die Reform ihre Wirkung aber erst in Jahren entfalten könnte. Man brauche dringend Lösungen und klare Planungen für diese Übergangszeit, sonst würden schon vor der Reform versorgungsnotwendige Kliniken vom Netz gehen. Bayern habe deshalb auch als einziges Bundesland gegen die Reform-Eckpunkte gestimmt, denn „man stellt sich zurecht die Frage, wo man zustimmt, wenn ja alles noch geprüft werden muss“, so Pilsinger.

Klarheit fehlt auch, was die Einteilung der Kliniken in Level oder Leistungsgruppen betrifft – quasi das Herzstück der Reform. Zwar begrüßten die Kliniken, dass die starren Level des ersten Vorschlags durch neue Leistungsgruppen ersetzt wurden. Doch die Definition und Anzahl dieser Gruppen bleibt weiterhin unklar. Die Krankenhäuser forderten, dass die Leistungsgruppen auf keinen Fall den Effekt der Level entfalten dürften. Die Häuser dürften nicht zu „Pflegeheimen mit Notfallversorgung“ degradiert werden, so Pilsinger. Nur mit einem gewissen Leistungsspektrum habe man die Chance, zu überleben und gutes Personal zu finden. Pilsinger gibt als Beispiel: „Wenn man keine volle Fortbildung an den Kliniken machen kann und sich zum Beispiel zum Internisten ausbilden lassen kann, warum sollte man dann zu dieser Klinik gehen? Das kann deshalb auch einen indirekten Effekt haben – wenn man kein Personal mehr bekommt, muss man trotzdem zusperren.“

Für Felix Rauschek, Geschäftsführer der Asklepios Kliniken Bad Tölz, ist an der Stelle die Logik der Leistungsgruppen entscheidend. Er stellt sich die Frage, „inwiefern man auch Innovation und Entwicklung verhindert, wenn man den Markt von vornherein abgesteckt hat“. Darüber hinaus ist für Rauschek unklar, was man mit den Abteilungen mache, die die Anforderungen nicht erfüllen. „Das ist ein akutes, emotional und ökonomisch schmerzhaftes Thema“, meint der Geschäftsführer der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz. Die Klinik bietet ein umfangreiches Behandlungsspektrum mit zahlreichen Spezialisierungen an, die weit über die Grund- und Regelversorgung hinausgehen. „Eine solch erfolgreiche Entwicklung und der Ausbau des Behandlungsspektrums wären für die Klinik unter den Bedingungen der von Herrn Lauterbach nun vorgeschlagenen Reform nicht möglich gewesen“, betont Rauschek.

Benjamin Bartholdt, Vorstand des Krankenhauses Agatharied, sieht eine weitere Schwierigkeit darin, dass durch den hohen Zeitdruck gewisse Rahmenbedingungen ausgeblendet werden. „Von jetzt auf gleich unter Zeitdruck zu einem neuen Zielbild zu kommen, ist sehr schwierig. Standorte zu reduzieren, heißt gegebenenfalls die Versorgung und den Ärztenachwuchs zu gefährden. Kleine Häuser sind oft Träger der Ausbildung von Krankenpflegepersonal – auch hier könnten Kliniken mehr und mehr vom Netz gehen“, so Bartholdt. „Wenn zum Beispiel Bad Tölz und Agatharied beide in eine niedrige Kategorie eingeordnet würden, würde dies für viele hochqualitative Angebote beider Standorte das Aus bedeuten. Die bereits zwischen beiden Standorten stattfindende Abstimmung mit dem Ziel Doppelvorhaltungen bei spezialisierten Versorgungsangeboten zu vermeiden, würde damit völlig ausgeblendet.“ Bartholdt fordert daher ein Denken in Versorgungsregionen und eine Abkehr von der isolierten Betrachtung einzelner Standortstrukturen.

Auch Dr. med. Andreas Liebl, Chefarzt Innere Medizin/Diabetologie der Fachklinik Bad Heilbrunn, ist sehr versunsichert, wie es weitergeht. Seine Klinik betreibt Reha- und Akutmedizin mit einem speziellen Schwerpunkt in der Diabetologie und mit Patienten aus ganz Deutschland. Die Zukunft für Fachkliniken sei in den Eckpunkten der Reform noch völlig unklar.

Thomas Reichart, Personalleiter der Kreisklinik Wolfratshausen, zeigt sich ebenfalls verunsichert und fragt sich, ob Krankenhausträger noch bereit sein werden, in kleine Kliniken zu investieren, wie sich der Transformationsprozess gestalten wird und wo als kleine Klinik eine Kooperation mit größeren Kliniken auf Augenhöhe möglich sei.

Unumstritten bei allen Gesprächsteilnehmern ist, dass das deutsche Gesundheitssystem einer Reform bedarf. Das Reformvorhaben in seiner aktuellen Form würdeallerdings zu einer Verschlechterung der Versorgung für die Menschen gerade in den ländlichen Regionen Bayerns führen. Auch der ohnehin schon gravierende Fachkräftemangel in der Branche würde sich dadurch verschlimmern und die Facharztausbildung würde unter den starren Leistungsstufen der Kliniken leiden.

Die Abgeordneten sicherten zu, die vielen Themen in Berlin einzubringen und den Reformprozess weiter kritisch zu begleiten. „Der Stephan Pilsinger, unser Verhandlungsführer für die Reform, hat jetzt genug argumentatives Rüstzeug für die harten Diskussionen. Unser Ziel ist es, die notwendige Reform im Interesse des ländlichen Raums und der Region zu beeinflussen. Dazu muss zunächst der Übergangsprozess so gestaltet werden, dass keine Häuser noch vor der Reform vom Netz gehen!“, so Radwan abschließend.

Bild: Diskussionsrunde zur Krankenhausreform

Diskussionsteilnehmer von links nach rechts: Elina Bodenhausen (Klinikmanagerin, Asklepios Stadtklinik Bad Tölz), Marius Aach (Klinikkoordinator, Asklepios Stadtklinik Bad Tölz), Wolfgang Krause (Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen), Landrat Josef Niedermaier, Bundestagsabgeordneter Alexander Radwan, gesundheitspolitischer Sprecher der CSU im Bundestag Stephan Pilsinger, Felix Rauschek (Geschäftsführer, Stadtklinik Bad Tölz), Benjamin Barthold (Vorstand, Krankenhaus Agatharied), Dr. med. Andreas Liebl (Chefarzt Innere Medizin/Diabetologie, Fachklinik Bad Heilbrunn), Prof. Dr. med. Rüdiger Ilg (Ärztlicher Direktor Asklepios Stadtklinik Bad Tölz), Thomas Reichart (Personalleiter, Kreisklinik Wolfratshausen).

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