Erste ACH Alumna absolviert Facharztausbildung in den USA

Katherina Böttge hat als erste Absolventin des Asklepios Campus Hamburg (ACH) zum 1. Juli 2020 eine General Surgery Residency an der Franciscan Health/ St. James Clinic in Chicago/USA angetreten.

Die Facharztausbildung in den USA bietet viele Vorteile: Sie gilt als gut strukturiert, es gibt hervorragende Forschungsmöglichkeiten, und die Gehaltsaussichten sind oft erfreulicher als in Deutschland. Doch der Weg zum amerikanischen Facharzt ist steinig: Neben hervorragenden Noten und sehr guten Englisch-Kenntnissen sind viel Geld, Zeit und Engagement im Bewerbungsmarathon nötig. Katherina Böttge, Absolventin des 5. Jahrgangs am ACH, hat diesen Schritt erfolgreich absolviert. Im Gespräch erklärt die 30-Jährige, welche Mühen sie auf sich genommen hat, bevor sie nun am 1. Juli als erste Alumna des ACH ihre allgemeinchirurgische Facharztausbildung in den USA beginnen konnte.

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Katherina Böttge hat am 1. Juli 2020 ihre Facharztausbildung in Chicago/USA begonnen.

Frau Böttge, wann kam Ihnen die Idee, in den USA ihre medizinische Karriere zu beginnen?

Katherina Böttge: Schon während meines Studiums am ACH hatte ich 2015 eine PJ-Station in einer Klinik in Indiana absolviert und dort verschiedene Leute kennengelernt. Nach meinem Abschluss 2016 bekam ich dann in einer kalifornischen Klinik ein Forschungsprojekt angeboten. Leider habe ich aber damals dafür kein Visum erhalten. Also habe ich erst einmal ein halbes Jahr in Berlin in der Allgemeinchirurgie gearbeitet, bevor dann doch wieder der Wunsch stärker wurde, in die USA zu ziehen. Für einen echten Ortswechsel gibt es immer zwei Gründe: entweder Job – oder Liebe. Bei mir war es letzteres. Es dauerte bis 2019, bis ich nach langem Warten die nötige Green Card erhalten habe. Der Weg dahin war jedoch teuer, langwierig und von einigen Schwierigkeiten geprägt. 

Nachdem diese bürokratische Hürde genommen war - wie ging es weiter?

KB: Jetzt folgte die medizinische Herausforderung: die „United States Medical Licensing Examinations“, kurz USMLE. Ich musste erst Step 1 sowie Step 2 CK and Step 2 CS des vorgeschriebenen dreiteiligen Tests bestehen, um mich überhaupt um eine „residency“, also eine Facharztstelle, bewerben zu können. Step 1 und 2 CK bestehen aus einem acht- und neunstündigen Multiple-Choice-Test, der gerade von ausländischen Bewerbern mit hervorragenden Noten bestanden werden muss, um überhaupt eine Chance zu haben. Wer einen der Steps einmal bestanden hat, darf diesen übrigens nicht mehr wiederholen, um die Note zu verbessern. Nicht nur deswegen war ich vor der Prüfung nervös und unglaublich froh, sie nicht nur überstanden, sondern nachher auch mit der erforderlichen Quote bestanden zu haben.

Wie lief dann die Bewerbung für ihre Facharztstelle ab?

KB: Für eine residency in einem „residency program“ an einer amerikanischen Klinik gibt es nur einen einzigen Bewerbungstermin im Jahr, und zwar den 15. September. Bis dahin hatte ich eine persönliche Bewerbungsliste quer durchs Land erstellt, zusammen mit den erforderlichen Bewerbungsunterlagen. Darauf folgt eine Art ‘Vorstellungsmarathon’. Man reist von Oktober bis Februar quer durch die Vereinigten Staaten, um sich bei den Kliniken vorzustellen, die eine Einladung verschickt haben. Diese Zeit ist nicht nur anstrengend und langwierig, sondern auch finanziell eine Herausforderung. Nach 25 Vorstellungsgesprächen habe ich selbst entschieden, keine weitere Einladung mehr anzutreten. 

Nachdem alle Vorstellungsgespräche beendet sind, erstellen sowohl der Bewerber als auch die Klinik eine sogenannte “rank order list“, wodurch man eine Stelle irgendwo im Land zugeteilt bekommt. Dieser sogenannte ‘Match day’ ist einer der wichtigsten Tage für amerikanische Medizinstudenten. Am 20. März habe ich somit die Mitteilung bekommen, dass ich am 1. Juli meine surgical residency in Chicago starten kann.

Wie war Ihre Reaktion?

KB: Da die Wahrscheinlichkeit für Nicht-Amerikaner in eine categorical surgical residency aufgenommen zu werden bei ca. fünf Prozent liegt, habe ich mich natürlich sehr über diese Nachricht gefreut. Sowohl mein Chef als auch die Kolleginnen und Kollegen sind sehr nett. Allerdings bin ich weit weg von meiner amerikanischen Familie, die in Kalifornien lebt. Durch die Corona-Krise ist das Reisen innerhalb Amerikas zudem stark eingeschränkt, daher kann ich aktuell nicht einfach hinfliegen, vor allem auch deswegen, weil ich danach 14 Tage in Quarantäne müsste - und so viel Jahresurlaub habe ich nicht einmal! Chicago ist allerdings eine großartige Stadt: durch den multiethnischen Mix ist das medizinische Spektrum wirklich enorm, von einer elektiven Hernien Operation bis zur multiplen Schussverletzung ist alles dabei. Als herausfordernd sehe ich dabei die fehlende flächendeckende medizinische Versorgung an: Viele Patienten haben keinen Zugang zu regelmäßiger medizinischer Versorgung, was sich in weit fortgeschrittenen Krankheitsbildern manifestiert. 

Haben Sie zwischenzeitlich ihren Schritt schon einmal in Frage gestellt?

KB: Die Ausbildung hier in den USA ist so gut, dass ich es nicht bereue. Das fünfjährige „residency program“ hat ein klares krankenhausbasiertes klinisches Curriculum, das zahlreichen Standards und Regeln unterliegt. Jede Woche haben wir ein vier- bis fünfstündiges Lernmodul, monatlich hält jeder und jede der „residents”, wie wir genannt werden, eine Präsentation, nimmt an Konferenzen und „journal clubs“ teil und pro Jahr schreiben wir eine Prüfung, um unseren Wissensstand unter Beweis zu stellen. Dabei ist unser Alltag schon anstrengend: lange Dienste, wenige freie Tage und ein relativ niedriges Gehalt. Die Wochen-Arbeitszeit während der Facharztausbildung liegt bei ungefähr 70-80 Stunden, im Monat habe ich lediglich vier freie Tage. Gleichzeitig lernt man aber unglaublich viel: Ich habe residents erlebt, die operieren am Ende ihrer Ausbildung fast so gut wie Oberärzte in Deutschland! Das liegt vor allem daran, dass alle wissen, dass wir hier sind, um zu lernen.

Wie bewerten Sie mit der Erfahrung der letzten Jahre Ihre Ausbildung am ACH?

KB: Ich kann ganz klar sagen: Der ACH hat mich sehr gut vorbereitet. Hätte ich nicht eine so umfassende Vorbereitung während des Studiums gehabt, hätte ich die Prüfung bestimmt nicht so gut bestanden. Wichtigster Punkt: Die „bedside manners“, auf die hier unglaublich viel Wert gelegt werden. Der Umgang mit den Patienten wurde uns durch die intensive Interaktion mit Patienten am ACH gut vermittelt. Das merke ich hier besonders im Vergleich mit den anderen residents. Alles in allem habe ich aber sowieso nur die besten Erinnerungen an meine Zeit am ACH!

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Böttge, sowie für Ihr Angebot, als Ansprechpartnerin für ACH Studierende zur Verfügung zu stehen, die Interesse an einer Famulatur oder einer PJ-Station in Chicago haben (Kontakt über mo.grimm@semmelweis-hamburg.de)

 

 

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