Corona-Pandemie erhöht Angstsymptomatik

Dr. Udo Polzer rät dazu, Ängste zu akzeptieren und mit ihnen umzugehen, anstatt aus Furcht vor Ansteckung nicht mehr rauszugehen.

„Nicht die Dinge an sich beunruhigen den Menschen, sondern die Sicht auf die Dinge“, zitiert Dr. Udo Polzer den antiken Philosophen Epiktet. Angesichts der Corona-Pandemie möchte der Ärztliche Direktor des Asklepios Fachklinikums Stadtroda diesen Satz all Jenen ans Herz legen, die durch die Existenz von Covid-19 in Angst versetzt werden – und Jenen, die bereits zuvor unter einer Angststörung gelitten haben. „Menschen, die schon zuvor starke Ängste hatten, haben es jetzt natürlich schwerer“, sagt Dr. Polzer.

In dem Epiktet-Zitat sieht der Chefarzt der Klinik für Allgemeine Psychiatrie/ Psychotherapie einen entscheidenden Punkt im Umgang mit der fundamentalen lebensweltlichen Veränderung der Gegenwart. „Es gibt Corona und somit ein reales Problem, das letztendlich dazu geführt hat, dass sich das Leben geändert hat. Daraus resultieren Fragen: Kann sich das Leben wieder normalisieren? Was kommt als nächstes? Was passiert mit mir?“ Alles dies, betont er, seien Fragen, die sich in Krisensituationen typischerweise stellen. Sie resultieren aus einer Unsicherheit, die Angst hervorruft.


Angst an sich sei nicht schlecht, sondern etwas Lebenserhaltendes. „Ohne Angst wären wir alle tot, wenn wir etwa keine Angst vor giftigen Spinnen oder großen Höhen hätten“, pointiert Dr. Polzer. Umgekehrt könne das Überwinden von Ängsten auch neue Horizonte eröffnen. Angst sei normal und gehöre zu unserem Leben dazu. Problematisch werde es allerdings, wenn Betroffene zu Sklaven ihrer Angst würden, indem sie etwa wegen Corona nicht mehr das Haus verließen.  Betroffene sollten versuchen, irrationale Ängste gegen Realängste abzugrenzen, die wirklich existent sind.

Laut einer Umfrage aus Rouen zeigt die Hälfte der Bevölkerung seit Beginn der Pandemie Angstsymptome. Zwanzig Prozent leiden unter Schlafstörungen. Um die Gesundheit der eigenen Familie, die wirtschaftliche Stabilität, die Gesundheit der Eltern und Freunde, die eigene körperliche Gesundheit sowie die eigene finanzielle Situation kreisen aktuellen Erhebungen zufolge in der Corona-Pandemie die meisten Ängste. Hier gilt es, nichts zu verdrängen, denn diese Ängste sind real. Das Beste sei es, diese Ängste zu akzeptieren und zu lernen, mit ihnen umzugehen. Auf die eigene Grundhaltung komme es an.

Bei Patienten mit Angsterkrankung sei die Resilienz, also die psychische Widerstandskraft, geringer. Es gebe aber Strategien, die eigene Resilienz zu stärken. Zum einen sei es wichtig, zu verstehen, was passiert, indem man sich gut informiert. Hierzu gehöre es, zu akzeptieren: Ich muss beispielsweise Maske tragen. Wer nicht informiert sei, laufe Gefahr, die Lage zu ignorieren oder umgekehrt, erhöhte Ängste zu erleiden.

Zum anderen gelte es, mit der Situation umzugehen und zu tun, was die Situation erlaubt. „Wenn ich eine Maske trage und mich an die entsprechenden Maßnahmen halte, bin ich geschützt und kann rausgehen“, illustriert Dr. Polzer. Es sei die Resilienz, die gestärkt werden müsse. Anstatt sich zurückzuziehen gelte es, im Rahmen der bestehenden Beschränkungen Kontakt zu anderen zu halten und sich nicht zu verstecken.

Gerade Patienten mit Angsterkrankungen sollten verinnerlichen: Auch wenn ich Angst habe rauszugehen, muss ich trotzdem rausgehen. Es gelte, die Ängste zu überwinden und sich kontraphobisch zu verhalten, indem man zwar Angst hat, es aber trotzdem tut. Das sei schwierig, da bei Angstpatienten die innere Stärke deutlich geringer sei.

„Gerade für Menschen mit Angsterkrankungen ist es wichtig, Corona anzunehmen, denn Corona ist im Moment da und wir müssen uns damit auseinandersetzen. Patienten, die ihre Angst überwinden, könnten sogar gestärkt aus der Pandemie herausgehen“, sagt Dr. Polzer. „Angst wird bewältigt - bei Gesunden und bei Kranken – indem ich aus der Opferrolle herauskomme und in eine aktive Haltung komme“, betont der Neurologe und Psychiater. Es gelte, sich nicht von seinen Ängsten auffressen zu lassen und sich ihnen nicht auszuliefern.

Das sei natürlich für Patienten mit Angststörungen problematisch. Bei ihnen nämlich übersteigern sich normale Ängste. Das schlimmste, was diesen Menschen passieren könne, sei sich zurückzuziehen. 

Kontakt:

Dr. Udo Polzer
Ärztlicher Direktor
Chefarzt der Klinik für Allgemeine Psychiatrie/ Psychotherapie,
Gerontopsychiatrie und Suchterkrankungen
Tel.: (036428) 56 1200
E-Mail: u.polzer@asklepios.com

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