Kinder vor Übergriffen schützen

Für das interdisziplinäre Team der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Asklepios Fachklinikum Stadtroda steht das Kindeswohl an erster Stelle

Stadtroda, den 18.06.2018. Familie als Ort, an dem Kinder in einer beschützten und liebevollen Atmosphäre aufwachsen können, an dem sie gefördert und auf ihr späteres Leben vorbereitet werden, das ist ein Ideal, das nicht für jedes Kind Realität ist. Traurig, aber wahr: Es gibt Kinder, die systematisch körperlich oder seelisch misshandelt, die sexuell missbraucht oder vernachlässigt werden. In solchen Fällen sprechen Experten von Kindeswohlgefährdung.

„Zum Kindeswohl gehören Minimalstandards an Fürsorge und Förderung und der Schutz vor nicht kindgerechten Handlungen und Einflüssen“, sagt Dr. Michael Kroll, Chefarzt der Klinik für Kinder- und  Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Asklepios Fachklinikum Stadtroda. Der Bundesgerichtshof definiert Kindeswohlgefährdung als „eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussagen lässt.“

Im Rahmen seiner Tätigkeit wird Kinderpsychiater Dr. Kroll immer wieder mit Fragen der Kindeswohlgefährdung konfrontiert. Sei es, dass Jugendämter wegen akuter Gefährdung in Obhut genommene Kinder und Jugendliche ins Asklepios Fachklinikum Stadtroda bringen, oder dass bei jungen Patienten, die sich bereits in Behandlung befinden, der Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung besteht. Gemeinsames Ziel von Jugendämtern und Kliniken ist es, Familien zu stärken und Hilfsangebote zu installieren, um Kindeswohlgefährdungen abzuwenden.

„Unser Anliegen ist es, Kinder vor Übergriffen zu schützen“, sagt Dr. Michael Kroll. „Selbst misshandelte oder missbrauchte Kinder drängen oft in die Haushalte zurück. Sie geben sich oft selbst die Schuld, wodurch sehr schwierige Situationen entstehen können“, so der Chefarzt.

Jeder junge Patient wird am Asklepios Fachklinikum Stadtroda körperlich untersucht. Geben etwa verdächtige blaue Flecke und eine widersprüchliche Erklärung dafür Anlass zur Vermutung einer Kindeswohlgefährdung, werde im interdisziplinären Team das weitere Vorgehen beraten. „Zunächst suchen wir den Kontakt zu den Sorgeberechtigten“, erklärt Dr. Kroll.

Zeigen sich diese unkooperativ oder sagen ganz offensichtlich die Unwahrheit, sodass die Verdachtsmomente auf kindeswohlgefährdendes Verhalten zu hoch sind, drängt das Team der Klinik darauf, das Jugendamt kontaktieren zu können. Entsprechend dem Kinderschutzgesetz muss notfalls überprüft werden, ob der Grad der Gefährdung des Kindes stärker wiegt als die Schweigepflicht. Dieses Procedere schreibt das Thüringer Schulgesetz auch für Lehrer bei Anzeichen von Vernachlässigung, Misshandlung, sexuellem Missbrauch oder einer sonstigen Gefährdung des Wohls eines Schülers vor.

„Im Jahr 2011 sagte die damalige Bildungsministerin Schavan, dass statistisch gesehen deutschlandweit in jeder Klasse mindestens ein Kind mit Missbrauchserfahrungen sitze“, erklärt Chefarzt Kroll. Dass es seit 2011 mit Johannes-Wilhelm Rörig einen Unabhängigen Bundesbeauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs gibt, begrüßt Dr. Kroll.

Am Universitätsklinikum Jena besteht seit mehreren Jahren die Thüringer Ambulanz für Kinderschutz (TAKS), die von Ärzten und Ämtern zur Abklärung von Kindeswohlgefährdungen hinzugezogen wird. Hier befasst sich ein interdisziplinäres Team mit der medizinischen Abklärung​ von körperlicher Gewalt und sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen. In Erfurt angesiedelt ist zudem die Kinderschutzambulanz für die Region Mittelthüringen.

Die häufigste Form der Kindeswohlgefährdung besteht in der Vernachlässigung von Kindern, gefolgt von psychischer Misshandlung durch Lieblosigkeit, Isolieren, feindselige Ablehnung oder Ausnutzen. „Körperliche Gewalt gegen Kinder ist seit dem Jahr 2000 illegal in Deutschland“, unterstreicht Chefarzt Dr. Kroll.

Gewaltfrei erzogen wird Erhebungen zufolge dennoch nur in 60 Prozent der Familien in Deutschland. In zwölf Prozent der Familien komme es zu schwerer Gewalt. „Sexueller Missbrauch tritt seltener auf als körperliche Misshandlung, kann jedoch besonders drastisch die Entwicklung langfristig stören. Häufig kommt es zu Mischformen verschiedener Gewaltformen“, erklärt Dr. Kroll. Insbesondere im Hinblick auf sexuellen Missbrauch stammen die Täter zu 75 Prozent aus dem nahen Umfeld des Opfers; aus Schule, Kirche, Vereinen – und eben aus der eigenen Familie.

Insgesamt gebe es inzwischen viel Aufgeschlossenheit in der Bevölkerung für das Thema Kindeswohlgefährdung. Viel getan werde von Seiten der Ärzte und der Ämter. „Die Gesellschaft ist mittlerweile sensibler geworden“, sagt Dr. Michael Kroll.

Kontakt

Dr. Michael Kroll
Chefarzt Kinder- u.  Jugendpsychiatrie,
Psychosomatik u. Psychotherapie
Tel.: (036428) 56 13 53

E-Mail: mi.kroll@asklepios.com

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