Einfühlungsvermögen ist das Wichtigste

Im Alltag der Kinder- und Jugendpsychiatrie spielen pädagogische und heilpädagogische Fragen eine große Rolle.

„Einfühlungsvermögen ist das Wichtigste“, sagt Anja Wutz, die seit 1994 als Heilerziehungspflegerin am Asklepios Fachklinikum Stadtroda tätig ist. Das Interessante an ihrem Beruf sei, dass man eine medizinisch-pädagogische Ausbildung mit vielen Einsatzmöglichkeiten hat.

„Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist ein interessanter Arbeitsplatz für Heilerziehungspfleger und Erzieher“, sagt Dr. Michael Kroll, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Asklepios Fachklinikum Stadtroda: „Im Alltag auf den Stationen spielen pädagogische und heilpädagogische Fragen sowie Entwicklungspsychologie eine große Rolle, weshalb wir auf einen deutlich höheren Anteil an Pädagogen Wert legen.“

Dr. Kroll verweist auf den preisgekrönten Film „Systemsprenger“, der die dramatische Krisensituation eines neunjährigen Mädchens und auch einen Teil des Alltags in  Kinderpsychiatrien darstellt. Im Gegensatz zur Arbeit mit Erwachsenen bedürfe die Arbeit mit Kindern meist mehr Kreativität, wenn es darum gehe, eine therapeutische Basis aufzubauen. Um Kinder und Jugendliche besser dort „abholen“ zu können, wo sie seelisch gerade stehen, plädiert Dr. Kroll für ein interdisziplinäres Team, dem neben Mitarbeitenden der Pflege auch Erzieher bzw. Heilerziehungspfleger angehören.

„Erzieher und Krankenschwestern machen vieles im Stationsalltag total ähnlich, genauso wie Ärzte und Psychologen vieles ähnlich machen. Einige Kinder öffnen sich allerdings verbal wenig und weder in der Ausbildung der Pflege noch in der Grundausbildung für Ärzte sind Lösungswege hierfür enthalten“, erklärt Dr. Kroll.

Hier setzt unter anderem die Arbeit von Heilpädagogin Anja Wutz an. Sie hat mehrere Zusatzausbildungen absolviert, zum Beispiel in sozialem Kompetenztraining, in autogenem Training und in Gesprächsführung. „Bei uns auf der KJP 3, der geschlossenen Station für Jugendliche, ist Einfühlungsvermögen das Wichtigste. Um Vertrauen aufzubauen, versuchen wir immer, Gespräche zu führen, auch über Belangloses“, unterstreicht sie.

Den jungen Patienten möchte sie vor allem die schönen Seiten zeigen. Wenn computersüchtige  Jugendliche, die ansonsten die ganze Nacht zocken und den ganzen Tag schlafen, merken, dass es auch anders klappt und dass sie einfach mal wieder was Schönes erleben können, dann freut sich auch Anja Wutz. Wichtig sei es, die Sprache der Jugendlichen zu sprechen, authentisch zu sein und nicht von oben herab zu agieren: „Der Beruf als Heilerziehungspflegerin ist mein Leben, ich bin auch überzeugt von der Station, auf der ich arbeite.“

Auch Jessica Ebner ist mit ihrer Berufswahl zufrieden. Gerade hat sie an der Staatlichen Berufsbildenden Schule für Gesundheit und Soziales in Jena ihre dreijährige Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin absolviert.

„Das Klinikum in Stadtroda hatte ich während meiner Ausbildung im Rahmen einer Führung mit Dr. Kroll kennengelernt. Daraufhin habe ich mich beworben und habe gerade auf der Station KJP 4 angefangen, wo Patienten zwischen elf und vierzehn Jahren behandelt werden. Ich habe mich hier sofort wohlgefühlt“, sagt die junge Frau. Auch für sie steht der Beziehungsaufbau im Mittelpunkt ihrer Arbeit.

Menschen, so die Ansicht von Dr. Kroll, wollen von ihrer Umgebung akzeptiert werden, so wie sie sind. Das trifft auch auf junge Menschen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu – mit ihren Schwierigkeiten und teilweise versteckten Stärken, mit ihren besonderen familiären Situationen, und ihren teilweise holprigen Bildungskarrieren.

International habe sich das Konzept der „Neuen Autorität“ bewährt, das zuerst der israelische Psychologe Haim Omer entwickelte. „Wie in den Teams der Kinder- und Jugendpsychiatrie besteht der Grundgedanke darin, sich gut zu vernetzen, um Kindern Halt und Orientierung zu geben“, erklärt der Kinder- und Jugendpsychiater.

Es gehe nicht um „autoritäres“ Vorgehen, aber um ein klares Bekenntnis der jeweiligen Erwachsenen, dass sie bereit sind, für die Jugendlichen im Sinne eines „Wir-Gefühls“ Verantwortung zu übernehmen. „Präsenz“ ist der zentrale Begriff der „Neuen Autorität“ und steht entsprechend im Zentrum psychotherapeutischen und kinderpsychiatrischen Arbeitens.

Im Rahmen der stationären Behandlung sollen sich Kinder und Jugendliche in einem von Wertschätzung geprägten Umfeld, in dem sie sich angenommen fühlen, entwickeln können. Tragende Säulen des pädagogischen und heilpädagogischen Konzepts sind hierbei Struktur, Beziehung, Achtung, Partizipation und Förderung.

Kontakt:

Dr. Michael Kroll
Chefarzt Kinder- u.  Jugendpsychiatrie,
Psychosomatik u. Psychotherapie
Tel.: (036428) 56 13 53
E-Mail: mi.kroll@asklepios.com

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