2020 – das Jahr der professionellen Pflege

Markus Weber, Pflegedirektor am Asklepios Fachklinikum Stadtroda: „Wir brauchen in Thüringen eine Pflegekammer“

Als „Helden des Alltags“ wurden Pflegerinnen und Pfleger zu Beginn der Corona-Pandemie gefeiert. Vielfach war er wieder da, der seit Jahren immer mal wieder halbherzig geführte Diskurs um die Aufwertung des Berufsfeldes.

Sollte 2020 also das Jahr der Pflege werden? Vom Zeitpunkt her könnte das immerhin passen, findet Markus Weber, Pflegedirektor am Asklepios Fachklinikum Stadtroda. In diesem Jahr hatte er sich zum 200. Mal gejährt, der Geburtstag Florence Nightingales, Begründerin der professionellen Pflege. Die Initiatorin der modernen westlichen Krankenpflege war der Ansicht, dass es neben dem ärztlichen Wissen ein eigenständiges pflegerisches Wissen geben sollte, und vertrat dies auch in ihren Arbeiten zur Krankenpflege, die als Gründungsschriften der Pflegetheorie gelten.

„Ausgerechnet wegen der Corona-Pandemie ist das Datum etwas untergegangen und wohl auch die Tatsache, dass die WHO das Jahr 2020 zum Jahr der professionellen Pflege und der Hebammen ausgerufen hat“, sagt Markus Weber. Für ihn ist 2020 in jedem Fall ein Jahr, um Resümee zu ziehen: Wo steht die Pflege? Was hat sich bewegt?

„Die Pflege hat einen Zuwachs an Bedeutung erfahren. Dieser reicht natürlich nicht aus. Uns wird seit Beginn der Corona-Pandemie zwar jetzt ein ganz großer Preis zugesprochen mit der Systemrelevanz. Diese geht aber eben leider nicht einher mit Einflussnahme – zum einen auf politische Prozesse, zum anderen als geschlossene Berufsgruppe. Beides brauchen wir dringend. Das hohe Maß an Anerkennung, das wir gegenwärtig erfahren, ist ansonsten nur ein Geschenk auf Zeit“, fürchtet der Stadtrodaer Pflegedirektor.

Was gerade im öffentlichen Diskurs stattfinde, sei nur dem Anschein nach eine Bewegung zur Stärkung der Pflege. Tatsächlich bewege sich nicht genug, insbesondere auch im Hinblick auf eine Akademisierung der Pflege. In Großbritannien, Schweden und Kanada erfolgt die Ausbildung an Hochschulen. Der Anteil der graduierten Pflegekräfte liegt dort zwischen 61 (Kanada) und 100 Prozent (Großbritannien und Schweden). In Deutschland beträgt der Anteil gerade einmal ein bis zwei Prozent.

Dass mit dem Pflegeberufegesetz vom 1. Januar 2020 nun immerhin der Grundstein für eine generalisierte Ausbildung gelegt sei, begreift Markus Weber als „Segen für die Pflege“: „Wir haben jetzt im Endeffekt, verglichen mit anderen EU-Ländern zwar mit fast dreißig Jahren Verzögerung, endlich eine einheitliche Pflege-Ausbildung“, freut er sich.

Bislang war die Pflege in Deutschland dreigeteilt in Gesundheits- und Krankenpflege,  Gesundheits- und Kinderpflege sowie Altenpflege. Die neue generalisierte Ausbildung fasst alle drei im Beruf der Pflegefachfrau bzw. des Pflegefachmannes zusammen.

Aufgrund der bisherigen Dreiteilung sei es der Pflege noch immer nicht gelungen, eine gemeinsame Sprache zu finden. Damit dies möglich werde, brauche Thüringen dringend – analog etwa zur Ärztekammer - eine Pflegekammer, wie es sie etwa in Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein oder Baden-Württemberg gebe. „Die Pflege ist die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen. In Pflegekammern bündelt sich der Pflegeberuf und bekommt politisch und gesellschaftlich ein Sprachrohr. Einzelne Akteure bekommen feste Ansprechpartner“, unterstreicht Markus Weber.

„In Thüringen ist die bisherige Entwicklung bedenkenswert“, findet der Pflegedirektor. Die rot-rot-grüne Regierung hatte zwar in ihrem ursprünglichen Koalitionsvertrag die Möglichkeit der Etablierung einer Pflegekammer gesehen, aber das Thema habe bislang keine Relevanz gefunden.

„Wer der Pflege mehr Verantwortung übertragen will, muss ihr auch das dazugehörige Organ zugestehen. Wir brauchen eine Pflegekammer. Wenn nicht jetzt, wann dann?!“, betont Pflegewissenschaftler Weber: „Der Thüringer Landesverband der Bundesfachvereinigung Leitender Krankenhauspflegepersonen (BFLK), dessen Vorsitzender ich bin, hat bereits darüber abgestimmt, das Thema im Vorfeld der Landtagswahl 2021 mit fast allen Fraktionen zu diskutieren.“

Kontakt:

Markus Weber, M. A.
Pflegedirektor
Tel.: 036428 – 561338
E-Mail: markus.weber@asklepios.com

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