Weit mehr als nur Narkose - Die Anästhesie ist ein breitgefächertes Fachgebiet in der Medizin

Die Anästhesie befasst sich heutzutage nicht mehr ausschließlich mit der Betäubung von Patient:innen – vielmehr ist sie ein interdisziplinäres Fachgebiet, das viele medizinische Behandlungen in einen modernen Klinikbetrieb erst ermöglicht. Bereits im Altertum kannte man die schmerzstillende Wirkung von Kräutern, Wurzeln, Dämpfen und Tränken – Heiler in Ägypten, China, Griechenland und anderen Kulturen hatten dadurch die Möglichkeit, einfache Operationen durchzuführen.

Bild: weit mehr als narkose
Sie gehören zum Team der Klinik für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin (v.l.): Oberarzt Dimitri Sverdlov, Assistenzärztin Jenny Mielke, Assistenzärztin Erika Höschele, Leitende Obertärztin Kathrin Hilscher, Oberarzt Andreas Begger, Chefarzt Dr. Andreas Hettel, Oberarzt Dr. Michael Niggemeier und Oberarzt Thomas Schröder.

Alle diese Methoden waren aus heutiger Sicht jedoch oftmals mangelhaft in ihrer Wirkung und gefährlich für den Patienten, erst mit dem schottischen Arzt James Young Simpson, der mithilfe von Chloroform den Geburtsschmerz linderte, begann Mitte des 19. Jahrhunderts der Siegeszug der modernen Anästhesie. Anfangs übernahm der Operateur selbst die Durchführung der Narkose, doch im Laufe der Zeit entwickelte sich die Anästhesie zu einem eigenen Fachgebiet, das mittlerweile ein sehr breitgefächertes Aufgabenfeld in der Medizin einnimmt.

„Auf ärztlicher Seite gehören wir inzwischen häufig zu den personalstärksten Abteilungen in einem Krankenhaus“, sagt Dr. med. Andreas Hettel, „da wir nicht nur im Operationssaal, sondern unter anderem auch auf der Intensivstation oder im notärztlichen Einsatz außerhalb des Klinikums tätig sind“, ergänzt er.

Der Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin ist seit 2014 Chefarzt Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin im Asklepios Klinikum Schwalmstadt, daher hat er einen sehr guten Blick auf die vielfältigen Aufgaben der Anästhesist:innen. „Allein hier bei uns am Standort werden jährlich bis zu 8.000 Operationen durchgeführt, bei denen die Patient:innen eine Narkose benötigen“, macht Dr. Hettel deutlich, „dabei ist es unsere Aufgabe, egal ob Kleinkind oder Greis, eine Schmerzfreiheit herbeizuführen, die es den Operateuren erst ermöglicht, einen entsprechenden medizinischen Eingriff durchzuführen“. Zusätzlich sei es enorm wichtig, auch die Vital-Funktionen im Blick zu behalten und zu sichern, fügt er hinzu, daher bestehe das Anästhesie-Team immer aus dem Anästhesisten und einer Anästhesie-Pflegekraft. „Je nach Schwere des Eingriffs, setzen wir Vollnarkosen oder Teilbetäubungen ein – bisweilen ist auch eine Regionalanästhesie ausreichend“, beschreibt der Fachmann die Möglichkeiten der Schmerzausschaltung. Überdies kommt in seiner Abteilung seit gut drei Jahren auch eine Videobrille in Verbindung mit einem Kopfhörer zum Einsatz – Spielfilme, Dokumentationen oder Konzerte sorgen bei Eingriffen in Teilnarkose für eine ausreichende Ablenkung der Patient:innen, sodass zusätzliche pharmazeutische Sedativa nur noch in geringen Mengen oder bestenfalls gar nicht mehr benötigt werden. „Das verringert eventuelle Nebenwirkungen und die Person bleibt während der gesamten OP ansprechbar“, beschreibt er die Vorteile. Die Aufgaben der Anästhesist:innen rund um einen medizinischen Eingriff finden jedoch nicht nur im Operationssaal statt, vielmehr beginnen sie bereits bei der Aufklärung. „Im Vorgespräch klären wir beispielsweise, ob Vorerkrankungen bestehen, welche Medikamente eingenommen werden, ob es bei früheren OPs Probleme mit der Narkose gab und vieles mehr“, erklärt Dr. Hettel, „so können wir uns individuell auf die jeweilige Patientin und den jeweiligen Patienten einstellen“.

Auch nach dem Eingriff wird die Betreuung durch das Anästhesie-Team fortgesetzt, neben der Ausleitung der Narkose, werden im Aufwachraum die Vital-Funktionen fortlaufend überwacht und gegebenenfalls zusätzlich benötigter Sauerstoff und Schmerzmittel verabreicht. „Erst wenn die Patient:innen wieder ausreichend stabil sind, schicken wir sie weiter auf die normale Pflegestation oder nötigenfalls auch auf die Intensivstation“, betont der Chefarzt. „Um Facharzt für Anästhesie werden zu können, durchlaufen die angehenden Spezialisten nach ihrem Medizinstudium eine fünfjährige Ausbildung“, verdeutlicht er den Umfang des notwendigen Zusatzwissens. „Das Arbeiten im Team, zusammen mit Anästhesie-Pflegekräften, der OP-Pflege und den Chirurg:innen das beste Ergebnis für den Patienten zu erreichen, ist der größte Ansporn für unsere Arbeit“, ist sich Dr. Andreas Hettel sicher.   

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