Out of the box: Jenaer Erklärung

Prof. Dr. Johannes Krause, Direktor des Max-Planck-Instituts (MPI) für Evolutionäre Anthropologie Jena, sprach am 2. Dezember im Rahmen einer Out of the box (OTB)-Veranstaltung am Asklepios Campus Hamburg (ACH) über die „Jenaer Erklärung“ gegen Rassismus und dabei über "Die Reise unserer Gene".

Plakat OTB

„Gibt es eine genetische Grundlage für menschliche Rassen?“ Diese zentrale Frage der Jenaer Erklärung hatte Dr. Christoph Jermann, Geschäftsführer der den ACH betreibenden Asklepios Medical School (AMS), vor dem Hintergrund politischer Entwicklungen und Diskussionen in Deutschland zum Anlass genommen, Prof. Dr. Johannes Krause als einen der Autoren zu einem OTB-Abend an den ACH einzuladen. Ziel dieser Veranstaltungsreihe ist es, den Studierenden am Campus in lockeren Abständen einen Blick über den Tellerrand zu bieten und Themen zu präsentieren, die nicht originär zu einer medizinischen Ausbildung zählen. Nach der Begrüßung durch Dr. Jermann stieg Prof. Krause direkt mit einer griffigen These und einem klar formulierten Ziel ein: „Es gibt keine biologischen Rassen. Ich hoffe, ich kann Sie davon heute überzeugen.“ Diese These hatte er zusammen mit Prof. Dr. Martin Fischer, Prof. Dr. Uwe Hoßfeld und Prof. Dr. Stefan Richter von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena im Herbst 2019 in der Jenaer Erklärung veröffentlicht. Sie dokumentiert eine Veranstaltung des dortigen Instituts für Zoologie und Evolutionsforschung zum Thema „Jena, Haeckel und die Frage nach den Menschenrassen: wie Rassismus Rassen macht“. Ernst Haeckel war Jenaer Professor und wohl der zu seiner Zeit bekannteste deutsche Zoologe, Evolutionsbiologe und Stammesgeschichtsforscher. Der von ihm entworfene Stammbaum hatte zu einer vermeintlich wissenschaftlichen Unterscheidung und Bewertung menschlicher Rassen und dem Missbrauch dieser Theorie durch die Nationalsozialisten geführt.

Auszug aus der Jenaer Erklärung:

Die Idee der Existenz von Menschenrassen war von Anfang an mit einer Bewertung dieser vermeintlichen Rassen verknüpft, ja die Vorstellung der unterschiedlichen Wertigkeit von Menschengruppen ging der vermeintlich wissenschaftlichen Beschäftigung voraus. Die vorrangig biologische Begründung von Menschengruppen als Rassen – etwa aufgrund der Hautfarbe, Augen-oder Schädelform – hat zur Verfolgung, Versklavung und Ermordung von Abermillionen von Menschen geführt. Auch heute noch wird der Begriff Rasse im Zusammenhang mit menschlichen Gruppen vielfach verwendet. Es gibt hierfür aber keine biologische Begründung und tatsächlich hat es diese auch nie gegeben. Das Konzept der Rasse ist das Ergebnis von Rassismus und nicht dessen Voraussetzung.“

Genetik liefert stärkstes Argument

Prof. Krause MPI
Prof. Dr. Johannes Krause ist Direktor des Max-Planck-Instituts (MPI) für Evolutionäre Anthropologie Jena und Mitautor der Jenaer Erklärung.

In seinem Vortag am ACH gelang es dem Biochemiker und Genetiker Prof. Krause, deutlich zu machen, warum der biologische Term „Rasse“ heutzutage nicht mehr verwendet wird (außer bei Haustierrassen, die allerdings künstlich gezüchtet sind), und warum es keine wissenschaftliche Rechtfertigung für dessen soziologische Verwendung gibt. „Die stärksten Argumente gegen die Existenz von Rassen kommen aus der Genetik“, erklärte der Wissenschaftler. „Die Evolution in der Genetik in den letzten Jahren ist der Entwicklung der hierzu nötigen Maschinen zur Entschlüsselung des menschlichen Genoms zu verdanken: Während 2003 im Schnitt nur 100 DNA-Sequenzen pro Tag analysiert werden konnten, liegt die Zahl in heutigen Hochdurchsatzlaboren mittlerweile bei dem 100-Millionenfachen. Das heutige „Genomzeitalter“ ermöglicht daher völlig neue Einsichten in menschliche Unterschiede und Gemeinsamkeiten.“ Um diese herauszufinden, untersucht Prof. Kraus als Archäogenetiker Proben von prähistorischen Mensch- und Tierknochen sowie von Pflanzen und Sedimenten. Die Untersuchung unterschiedlicher DNA-Sätze mit ihren ausgesprochen stabilen Molekülen komme dabei jedes Mal einer Zeitmaschine gleich, da sie zeigten, wie sich Dinge im Laufe der Zeit veränderten und sich zum Beispiel Populationen vermischt haben.

"Out of Africa"-Hypothese

OTB Laborbild
Im Labor am Max-Planck-Institut werden prähistorische Knochen von Menschen und Tiere untersucht.

Bei der Untersuchung der Evolution des modernen Menschen sowie der Besiedlungsgeschichte der Welt sei bis vor zehn Jahren die „Multiregionale These“ weit verbreitet gewesen. Diese besagt, dass sich Menschen in den letzten zwei Millionen Jahren auf den verschiedenen Kontinenten parallel entwickelt hätten. Mittlerweile sei diese Annahme von der „Out of Africa-Hypothese“ abgelöst worden: Demnach habe der Homo Sapiens vor rund 50.000 Jahren den afrikanischen Kontinent verlassen und sich in zahlreichen anderen Regionen der Erde ausgebreitet. Überall dort, wo der Homo Sapiens auf Urmenschen getroffen sei, die dort früher eingewandert waren, habe er diese verdrängt. „Die Herkunftsgeschichte des Menschen beginnt ganz klar in Afrika, wo sich damals die Nicht-Afrikaner von den Afrikanern abgespaltet haben. Im Prinzip sind wir also genetisch gesehen Ostafrikaner“, konstatierte Prof. Krause. Auch die Erforschung verschiedener genetischer Baupläne (Genome) hätten die direkte Verwandtschaft zwischen den Menschen aus Europa und Ostafrika belegt.

"Unterteilung in fünf Rassen ist unsinnig"

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Als historisch einschneidend bezeichnete Prof. Krause die neolithische Revolution (Sesshaftwerdung vor ca. 7.000 Jahren), die den Übergang vom Jäger und Sammler zum Ackerbauern kennzeichnet. Nicht eindeutig sei, ob sich die Kultur z.B. durch neue Erfindungen oder Materialen gewandelt habe oder ob damals Menschen aus anderen Regionen nach Europa gekommen seien und ihre Kultur mitgebracht hätten („pots or people“-Frage). Deutlich sei aber die genetische Verschiebung und die Vermischung von Menschen während der zweiten neolithischen Migration vor ca. 4800 Jahren durch massive Einwanderung: „Alle Europäer heute sind eine Art Potpourri. Und auch wenn es phänotypische Unterschiede gibt: Die Individuellen genetischen Unterschiede sind relativ klein und nicht fixiert. Wir sind eine viel zu junge Population, als dass wir bislang viele genetische Unterschiede hätten ansammeln können“, erläuterte der Wissenschaftler vom MPI. Seinen Vortrag beendete Prof. Krause mit der Erkenntnis: „Die Unterteilung in fünf Rassen ist unsinnig. Sinnvoll wäre nur eine Aufteilung in mehr als acht Milliarden Individuen“) und der Zusammenfassung in sechs zentralen Botschaften:

  1. Wir sind alle Afrikaner.
  2. Es gibt keine genetischen Grenzen, nur Gradienten (Verläufe).
  3. Migration war immer Teil der Menschheitsgeschichte. Wir haben uns auf allen und zwischen allen Kontinenten zu allen Zeiten ausgetauscht.
  4. Genetische Unterschiede innerhalb einer Population sind viel größer als zwischen den Populationen.
  5. Genetische Unterschiede, die den Phänotyp beeinflussen, sind meist Teil der Anpassung an die Umwelt.
  6. Die helle Haut der Europäer ist erst wenige tausend Jahre alt und aus Anatolien und Zentralasien eingewandert als Anpassung an den Ackerbau (andere, Vitamin-D-arme Ernährung in Kombination mit wenig Sonnenlicht).

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