Endokrinologie

Schwere zentralneurologische Schädigungen gehen häufig auch mit Beeinträchtigungen verschiedener endokrinologischer Regelkreise einher.

Klassiker hierbei ist die direkte z.B. traumatische Hypophysenschädigung. Klinisch unmittelbar relevante Folgen sind typischerweise eine zentrale Hypothyreose, ein Diabetes insipidus und ein Hypocortisolismus. Die notwendigen Substitutionstherapien mit Schilddrüsenhormonen, Vasopressin und Hydrocortison müssen im Verlauf stetig an die klinische Entwicklung angepasst werden. So kann es bei partiellen Insuffizienzen im Verlauf zu einem Rückgang des Substitutionsbedarfs kommen. Andererseits kann aufgrund von passager zunehmendem Stress z.B. aufgrund von Infekten ein steigender und vital bedeutsamer Substitutionsbedarf an Hydrocortison resultieren.

Unabhängig von unmittelbaren Schädigungen der Hypophyse sind relative Insuffizienzen der hypothalamisch-hypophysär-corticotropen Achse aufgrund einer Vielzahl neurologischer / neurochirurgischer Krankheitsbilder ein durchaus häufiges Phänomen. Klinisch treten diese oft erst im Rahmen von passageren Stressoren in Erscheinung. Dabei kommt es eher nur ein Einzelfällen zum Vollbild eines ausgeprägten Cortisolmangels wie er von der Addison-Krise mit der typischen klinischen Trias bekannt ist (gegen Flüssigkeitssubstitution und Vasopressorgabe refraktäre Hypotonie, Hyponatriämie und gastrointestinaler Symptomatik bis hin zum Pseudoperitonismus). Die Klinik ist im Vergleich eher schleichend und zeigt sich mitunter nur einer Adynamie. Bei Nichterkennung kann es von einer leichten Beeinträchtigung des neurorehabilitativen Verlaufs bis zu einer vollständigen Verhinderung von Fortschritten in Einzelfällen kommen. Diagnostisch stehen grundsätzlich hierbei endokrinologische Funktionstestungen zur Verfügung. Die Interpretation von Testungen der hypothalamisch-hypophysär-corticotropen Achse (z.B. CRH-Test oder Synacthen-Test) ist allerdings schwierig, da keine brauchbaren Normwerte für Patienten mit anzunehmendem grundsätzlich erhöhten Stressniveau (ein solches kann bei einem typischen neurologischen Frühreha-Patienten angenommen werden) vorliegen. Häufig kommt letztlich nur eine probatorische Substitution von Hydrocortison mit klinischer Beobachtung einer möglichen Wirkung als ultima ratio in Frage. Eine Substitution ohne ausreichende rationale Begründung sollte allerdings vermieden werden. Daher empfiehlt es sich im Falle einer vermeintlichen klinischen Verbesserung unter Substitution jedoch in der Regel, im Verlauf wieder ein Auslassversuch unter klinischer Beobachtung durchzuführen, da natürlich auch andere Gründe für eine Verbesserung vorgelegen haben könnten. Dieses Vorgehen hat sich aus der speziellen Erfahrung in vielen Jahren der  Behandlung von Patienten in der NFR als praktikabel erwiesen.

Weitere häufige Erscheinungen sind durch Gabe von jodhaltigen Kontrastmitteln (insbesondere nach CT-Angiographien oder Herzkatheteruntersuchungen) induzierte Hyperthyreosen, die neben der differentialdiagnostischen Abklärung ggfls. eine passagere thyreostatische Therapie bedürfen. Ebenso ist im Verlauf bei vielen Patienten mit bereits vorbestehender Substitutionsbedürftigkeit eine Anpassung der Dosierung erforderlich.

Ein großer Teil der multimorbiden Patienten leidet bereits vorbestehend unter einem Diabetes mellitus. Die konventionellen Konzepte zur Insulintherapie können bei Patienten mit, welche regelmäßig oraler Kost verzehren können angewendet werden. Viele Patienten erhalten jedoch aufgrund der Schluckstörung eine Ernährung mit  Sondenkost. Darüber hinaus ist Erbrechen bei immobilisierten neurologischen Patienten ein häufiges Symptom. In diesen Situationen ist der Versuch einer differenzierten antidiabetischen Therapie häufig zum Scheitern verurteilt. Das gilt ebenso in einer Phase während des Versuchs eines oralen Kostaufbaus mit tagesformabhängigen Schwankungen der Essmenge. Hier gilt die Devise „weniger ist mehr“: moderate BZ-erhöhungen sollten hier eher toleriert werden, um die Gefahr von unerkannten Hypoglykämien zu minimieren. Diese ist naturgemäß aufgrund der eingeschränkten Mitteilungsfähigkeit und der häufig auch im Tagesverlauf schwankenden Vigilanz der NFR-Patienten relevant erhöht. Mit Verbesserung des Allgemeinzustandes und Abschluß des oralen Kostaufbaus kann dann die in Richtung einer strengeren und langfristig orientierten Strategie modifiziert werden.

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