Chefarzt Prof. Dr. med. Rüdiger Ilg über die Gefahr von Zecken

Aufgrund des milden Winters und des relativ feuchten Sommers gibt es in diesem Jahr besonders viele Zecken. Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen zählt zu den besonderen Risikogebieten. Ein Zeckenstich kann Borreliose oder Frühsommer-Meningoenzephalitis auslösen. Prof. Dr. med. Rüdiger Ilg, Chefarzt der Neurologie der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz über die Gefahren und Möglichkeiten sich zu schützen.

Chefarzt Dr. med Rüdiger Ilg
Prof. Dr. med. Rüdiger Ilg, Chefarzt der Neurologie der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz über die Gefahren von Zecken.

Zecken (Ixodes rizinus) sind nur drei Millimeter groß aber brandgefährlich. Ein Stich kann Krankheiten wie Borreliose oder FSME (Frühsommer-Menningoenzephalitis) auslösen. „Die Borreliose ist eine Infektion durch Bakterien (Borrelia burgdorferi), die durch Zecken übertragen werden. Der Anteil  der mit Borrelien infizierten Zecken schwankt von Region zu Region stark und kann bis zu 30 Prozent betragen. In der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz behandeln wir regelmäßig Fälle von Borreliose“, so der  Ärztliche Direktor und Chefarzt der Abteilung für  Neurologie und Neurologische Rehabilitation Prof. Dr. med. Rüdiger Ilg. 

Es kommt jedoch es nur bei einem kleinen Teil der von einer infizierten Zecke gestochenen Personen zu einer Übertragung (2,6 bis 5,6 Prozent) und bei einem noch geringeren Anteil zu einer manifesten Erkrankung.  „Häufigstes Frühzeichen einer Infektion mit Borrelien  ist eine ringförmige Rötung um die Einstichstelle mit einem nach außen wandernden roten Ring und Abblassung in der Mitte (sog. Wanderröte). Wenn diese um den Zeckenstich erscheint, sollte unverzüglich ein Arzt aufgesucht werden.  Dazu können allgemeine Krankheitssymptome wie Fieber, Muskel- und Gelenkschmerzen, Lymphknotenschwellung und Abgeschlagenheit kommen“, so Prof. Ilg weiter.

In seltenen Fällen kann es zu einer Infektion des Nervensystems (Neuroborreliose) kommen, die sich mit nächtlich betonten brennenden Nervenschmerzen und Nervenlähmungen, vor allem im Kopfbereich und Körperstamm äußern kann. Eine Neuroborreliose kann nur im Nervenwasser und nicht im Bluttest alleine nachgewiesen werden. Die Diagnostik und Therapie der Neuroborreliose erfolgt nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).  „Die Leitlinie erläutert, welche diagnostischen Schritte und Labortests die Diagnose sichern, und bietet einen Überblick über wirksame Therapien. In der Regel ist bei der Frühform einer Borreliose eine 14-tägige Antibiotikatherapie ausreichend, die je nach Schweregrad als Tabletten oder Infusion verabreicht werden kann“, so der Experte weiter. 

Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)

Bei der  „Frühsommer-Meningoenzephalitis“( „FSME) handelt es sich um eine Gehirn-, Gehirnhaut- oder Rückenmarkentzündung, die durch Viren verursacht wird. Auch diese Viren werden durch den Stich von Zecken auf den Menschen übertragen.

„Auch FSME-Fälle hatten wir in diesem Jahr schon“, so Prof. Ilg.  Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen zählt laut Zahlen des Landratsamtes Bad Tölz-Wolfratshausen mittlerweile zu den FSME Risikogebieten. Alleine in den ersten beiden Quartalen 2020 wurden laut Gesundheitsamt demnach fünf FSME und 19 Borreliose-Fälle gemeldet ( Zum Vergleich Q1 und Q2 2019: 1 FSME-Fall und acht Borreliose-Fälle).

„Nach dem Stich einer mit FSME infizierten Zecke entwickelt etwa jeder Dritte Krankheitszeichen. Etwa ein bis zwei Wochen nach dem Zeckenstich treten zunächst grippeähnliche Symptome mit Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen oder Schwindel auf, die sich nach einigen Tagen wieder zurückbilden. Für die meisten der Betroffenen ist die Krankheit hiermit überstanden“, erläutert Prof. Ilg.

Bei rund jedem zehnten Erkrankten komme es aber nach etwa einer Woche zu einem zweiten Krankheitsgipfel mit hohem Fieber, Erbrechen und Entzündungszeichen von Gehirn und Hirnhäuten (sog. Meningoenzephalitis), so der Neurologe weiter.

Die FSME kann dabei nicht ursächlich behandelt werden, da es keine wirksamen Medikamente gegen das Virus gibt. So beschränkt sich die Behandlung auf die Linderung der Symptome. „Es werden vor allem fiebersenkende und schmerzstillende Mittel eingesetzt. Letzten Endes muss der Körper aber selbst mit dem Virus fertig werden.  Deshalb ist es besonders wichtig, die Erkrankung zu verhindern und Zeckenstiche zu vermeiden“, betont Prof. Ilg.

Vorbeugen ist besonders wichtig

Die ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut empfiehlt daher allen Personen, die sich in Regionen mit einem besonders hohen Zeckenaufkommen aufhalten, eine Impfung. Besonders gefährdet sind Alle, die sich während der wärmeren Monate April bis November häufig und lange in der Natur aufhalten, also Camper, Radfahrer, Jogger, Spaziergänger, aber auch Forstarbeiter und Beschäftigte in der Landwirtschaft. Aber Achtung: Gegen Borreliose gibt es derzeit keinen zugelassenen Impfstoff, gegen FSME, schon“, betont Prof. Ilg.

Daher ist es besonders wichtig, nach Aktivitäten in der freien Natur, im Wald oder auf dicht bewachsenen Wiesen den Körper nach möglichen Zeckenstichen zu begutachten und die Zecke dann sofort zu entfernen. Je schneller die Zecke entfernt wird, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung. Eine Übertragung unter zwölf  Stunden gilt als unwahrscheinlich. Durch eine frühzeitige Entfernung der Zecke, bevor sie sich mit Blut vollgesaugt hat, kann die Übertragung des Erregers also verhindert werden.  „Ergreifen Sie die Zecke mit einer feinen, spitzen Pinzette knapp über der Haut und ziehen Sie diese langsam unter gleichmäßigem Zug gerade heraus. Das Verbleiben des Kopfes oder des Stechapparates in der Haut ist bezüglich der Übertragung von Borrelien unbedenklich. Bei vollgesaugten Zecken sollte der Zeckenkörper nicht gequetscht werden, da so leichter Erreger in die Wunde gelangen können. Nach dem Entfernen der Zecke die Einstichstelle mit Wunddesinfektionsmittel reinigen und Hände gut waschen“, so der Experte abschließend.

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