Rehabilitation nach Schlaganfall
In Deutschland erleiden jährlich etwa 270.000 Menschen einen Schlaganfall. Schlaganfälle sind die häufigste Ursache für bleibende Behinderungen im Erwachsenenalter. Meist sind Menschen im höheren Lebensalter betroffen, nur etwa ein Viertel aller Schlaganfälle ereignen sich bei unter 65-jährigen.
Was passiert beim Schlaganfall?
Bei einem Schlaganfall sterben durch eine Unterversorgung des Hirngewebes mit Sauerstoff und Energielieferanten Nervenzellen ab. Grund dafür ist in etwa 80% ein Verschluss von Blutgefäßen, die die benötigten Nährstoffe zu den Nervenzellen transportieren (sog. „ischämische“ Schlaganfälle). In 20% können auch Hirnblutungen die Ursache von Schlaganfällen sein (sog. „hämorrhagische“ Schlaganfälle). Die Ursachen für Gefäßverschlüsse und Hirnblutungen können sehr vielfältig sein.
Bei einer Unterbrechung des Blutflusses werden die Nervenzellen zunächst in einen „Schlummerzustand“ versetzt. Sie stellen ihre Funktion ein, die Folge sind (meist „schlagartig“ auftretende) neurologische Ausfallserscheinungen. Dieser „Schlummerzustand“ kann jedoch nur über einen kurzen Zeitraum (i.d.R. wenige Stunden) aufrechterhalten werden. Gelingt es in dieser Zeit, den Blutfluss wiederherzustellen, verschwinden (oder bessern sich) die neurologischen Symptome. Gelingt es nicht, sterben die Nervenzellen irreversibel ab.
Weitere Informationen
Welche Symptome sind typisch?
Da das Gehirn sämtliche Körperfunktionen steuert und Schlaganfälle – abhängig vom verschlossenen Blutgefäß – prinzipiell jeden Teil des Gehirns betreffen können, sind sehr vielfältige Symptome möglich. Besonders häufig sind halbseitige Lähmungserscheinungen, ein einseitig herabhängender Mundwinkel oder einseitige Taubheitsgefühle, aber auch Sprachstörungen, Sehstörungen, Gleichgewichts- oder Gedächtnisstörungen sind möglich. Der Beginn ist in aller Regel plötzlich, ggf. können sich die Symptome im weiteren Verlauf aber auch verschlechtern oder verbessern. Wichtig ist: In jedem Fall muss umgehend die nächste neurologische Notaufnahme aufgesucht werden!
Akuttherapie und Überwachung
Beim ischämischen Schlaganfall zählt in der Akutsituation jede Sekunde. Je länger die Nervenzellen in ihrem „Schlummerzustand“ ohne Nährstoffzufuhr verweilen, desto höher ist das Risiko einer bleibenden Schädigung. Akute Schlaganfälle sind also echte neurologische Notfälle. Auf dem schnellsten Weg (meist durch Alarmierung von Feuerwehr/Rettungsdienst) sollte der Transport in die nächstgelegene neurologische Klinik erfolgen. Dort wird nach neurologischer Kurzuntersuchung eine sofortige Computertomographie (CT) veranlasst und entschieden, ob eine sogenannte „rekanalisierende“ Therapie (eine Behandlung zur Wiedereröffnung des verschlossenen Blutgefäßes) möglich ist. In Frage kommen grundsätzlich zwei Methoden: die systemische Lysetherapie (extrem starke intravenöse Blutverdünnung) und die mechanische Thrombektomie (Wiedereröffnung des verschlossenen Gefäßes über einen Katheter, der meist durch die Leiste eingeführt wird). Ob eine und welche der Methoden in Frage kommt, wird immer individuell entschieden.
Ein akuter Schlaganfall muss unabhängig von er Tatsache, ob eine rekanalisierende Therapie erfolgt ist, in den ersten 24-72 Stunden auf einer speziellen Überwachungsstation („Stroke Unit“) überwacht werden. Engmaschig werden EKG, Blutdruck, Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung, Blutzucker und Körpertemperatur überwacht. Außerdem erfolgen regelmäßige neurologische Untersuchungen, um Besonderheiten (z.B. eine klinische Verschlechterung) umgehend zu erkennen und darauf reagieren zu können. Bereits auf der Stroke Unit wird mit der Therapie der bestehenden Einschränkungen begonnen (z.B. Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie). Die Überwachungszeit auf der Stroke Unit verbessert die Prognose erheblich.
Schlaganfallursachen und Diagnostik
Da die Ursachen des einem Schlaganfall zugrundeliegenden Gefäßverschlusses sehr vielfältig sein können, wird stets ein individuelles Risikoprofil erstellt. Das ist besonders wichtig, da sich die medikamentöse Behandlung zur Verhinderung von Folgeereignissen nach der Ursache richtet. Ein bestmöglicher Schutz ist somit also nur gegeben, wenn die Ursache des Gefäßverschlusses bekannt und behandelt ist.
Eine häufige Ursache sind z.B. Gefäßverkalkungen („Arteriosklerose“) und/oder verengte Halsschlagadern. Hier helfen Blutverdünner wie ASS oder Clopidogrel und Cholesterinsenker, weiteren Ereignissen vorzubeugen. Bei einer Gefäßverengung kann ggf. auch eine Operation oder ein Stenting der Halsschlagader erforderlich werden. Für einen anderen Teil der Schlaganfälle sind Herzrhythmusstörungen (am häufigsten: Vorhofflimmern) verantwortlich. Diese sind besonders tückisch, da sie über lange Zeit verborgen bleiben und nur hin und wieder zum Vorschein kommen können (sog. „intermittierendes“ Vorhofflimmern). Die Suche danach lohnt sich jedoch, da sich die medikamentöse Behandlung unterscheidet: In diesen Fällen werden andere Blutverdünner (orale Antikoagulanzien, die modernen Abkömmlinge des Marcumar) eingesetzt, ASS ist weitestgehend wirkunglos. Bei Verdacht ist die möglichst häufige Ableitung von Langzeit-EKGs, eventuell sogar die Implantation eines „Event-Rekorders“ (Gerät zur dauerhaften Aufzeichnung des Herzrhythmus) unter die Haut sinnvoll. Darüber hinaus gibt es unzählige weitere mögliche Ursachen, die zu Gefäßverschüssen innerhalb des Gehirns und damit zu Schlaganfällen führen können.
Neuroplastizität und Rehabilitation nach Schlaganfall
Die bei einem Schlaganfall abgestorbenen Nervenzellen können nicht repariert werden. Das Gehirn behält lebenslang eine sichtbare „Narbe“. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Funktionsstörungen für immer fortbestehen müssen. Unser Gehirn hat die Fähigkeit, sich an veränderte Situationen und Anforderungen anzupassen, indem es sich neu vernetzt („Neuroplastizität“). Die Fähigkeit des Gehirns zur Neuroplastizität macht man sich in der Rehabilitation zunutze, da man sie durch gezieltes Training unterstützen kann. Je nach Art der Funktionsstörung werden möglichst auf verschiedene Wege Anreize gesetzt, die für das Gehirn ein wichtiges Signal für die Neuverknüpfung von Nervenzellen sind. Dieser Prozess erfordert viel Geduld, Zeit und intensives Training. Jedoch kann z.B. nach einer halbseitigen Lähmung mit Verlust der Gehfähigkeit durch eine Kombination aus Einzel-, Gruppen und Gerätetraining im Verlauf von Wochen bis Monaten die Gehfähigkeit (ggf. unter Zuhilfenahme eines Handstocks oder Rollators) wiederhergestellt werden. Wie gut und vollständig diese Erholung klappt, ist allerdings individuell sehr unterschiedlich und nicht immer vorhersehbar.
Unser Behandlungsangebot
Für Schlaganfall-Erkrankte halten wir ein besonderes Behandlungsangebot bereit. Zur Unterstützung der Neuroplastizität ist ein multimodaler Behandlungsansatz (also eine individuell zusammengestellte Kombination von unterschiedlichen Therapieverfahren) besonders wichtig. Nach einer Befunderhebung innerhalb der verschiedenen therapeutischen Disziplinen (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Sporttherapie, Neuropsychologie, physikalische Therapie incl. Elektrotherapie) wird ein individueller Therapieplan erstellt. Für RehabilitandInnen mit Gangstörungen wird ein Training im Ganglabor ergänzt, ebenso stehen ein Arm-, ein Brain- und ein Sprachlabor zur Verfügung. Weiterhin verfügt unsere Klinik über moderne Therapieverfahren wie VR (Virtual Reality), computergestütztes Training (innerhalb der Logopädie und Neuropsychologie) sowie Robotik-Verfahren (Gang- und Armroboter) und hat ein umfassendes physikalisches Therapieangebot (verschiedene elektrotherapeutische Verfahren zur Schmerz- und Spastiklinderung, Sensibilitätsförderung und Muskelstimulation, Wärme- und Kälteanwendungen, Massagen, Medyjet, manuelle und apparative Entstauungsverfahren). Neben vielfältigen Sport- und Entspannungsgruppen (u.a. Gerätetraining innerhalb der medizinischen Trainingstherapie, Transfertraining, Gleichgewichtsgruppe, Sitz-Cross-Training, Balance- und Stehtraining, Nordic Walking, Qi Gong, Yoga, Beckenbodengruppe) runden psychologische Gesprächstherapie, Wassertherapie im hauseigenen Bewegungsbad und tiergestützte Therapie das Spektrum ab. Da uns die Weiterentwicklung der Rehabilitationsqualität sehr am Herzen liegt, führten wir in Kooperation mit der Deutschen Rentenversicherung eine Studie zum Gangtraining nach Schlaganfall durch. Die Teilnahme ist für RehabilitandInnen natürlich freiwillig.
Unser Rehabilitationskonzept für Schlaganfall-Erkrankte umfasst weiterhin eine ärztliche Mitbehandlung, in welcher der Fokus auf die Ursachensuche und Risikooptimierung gelegt wird. Hierfür steht Labor- und apparative Zusatzdiagnostik (Langzeit-EKG, Langzeit-Blutdruckmessung, Doppler-/Duplexsonographie, EEG) zur Verfügung, für erforderliche bildgebende Diagnostik (CT, MRT) kooperiert unsere Klinik mit dem nahegelegenen Akutkrankenhaus. Verschiedene Vorträge zur Gesundheitsbildung (Ernährung, Bewegung, Stressmanagement, Schlaganfall und Risikofaktoren) sind während der Rehabilitation vorgesehen.
Bei Bedarf erfolgt eine Hilfsmittelberatung und –versorgung (ggf. nach Erprobung) und eine Angehörigenberatung, unser Sozialdienst unterstützt bei Antragsstellungen (u.a. GdB, Pflegegrad) und Themen rund um das Entlassungsmanagement und es erfolgt die Beratung zu Nachsorgeangeboten. Bei Rehabilitanden der Deutschen Rentenversicherung werden abhängig von dem individuellen Bedarf ein funktions- und anforderungsspezifisches Training, eine Arbeitsplatzberatung und ggf. eine Belastungserprobung durchgeführt und es wird abschließend eine Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit vorgenommen.
Organisatorisches
Eine Rehabilitation in unserer Klinik ist als Anschlussheilbehandlung oder als Heilverfahren möglich. Wir behandeln Rehabilitanden aller gesetzlichen und privaten Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung, Unfallversicherungen und Berufsgenossenschaften in den Rehabilitationsphasen C und D. Die Anmeldung erfolgt schriftlich bei unserem Patientenmanagement (aufnahme.hoexter@asklepios.com). Wir bitten zusätzlich um die Einreichung medizinischer Vorbefunde, eines Medikamentenplanes sowie eines aktuellen Singer- bzw. Barthel-Indexes.