Hüftdysplasie

Unter der kongenitalen Hüftdysplasie versteht man die ungenügende Ausbildung des Hüftgelenkes, verbunden mit einer Störung der Verknöcherung der Hüftgelenkspfanne. Bei ausgeprägten Fällen kann es zu einer Dezentrierung des Hüftkopfes aus der Hüftgelenkspfanne kommen; man spricht dann von einer Hüftgelenksluxation.

Ursachen

Verschiedene Faktoren spielen bei der Entstehung einer Hüftdysplasie eine Rolle. Neben mechanischen Risikofaktoren, wie beispielsweise einer intrauterinen Enge durch Fruchtwassermangel oder einer intrauterinen Beckenendlage, sind genetische und hormonelle Faktoren zu nennen. Im individuellen Einzelfall ist es durch die multifaktorielle Ätiologie meist nicht möglich, eine isolierte Krankheitsursache zu benennen.
Abzugrenzen ist die sekundäre Hüftdysplasie und Hüftluxation auf dem Boden einer differenzierten zugrundeliegenden Pathologie, beispielsweise im Rahmen einer spastischen oder schlaffen Lähmung.

Diagnostik

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Der erfahrene Untersucher kann eine Instabilität des Hüftgelenkes unter Zuhilfenahme definierter, schonender Untersuchungstechniken bereits klinisch erfassen. Leichtere Formen der Hüftdysplasie, die zu einem späteren Zeitpunkt dann jedoch womöglich behandlungsbedürftig werden, können allerdings mit der klinischen Untersuchung nicht zuverlässig erkannt werden.

Ein wesentlicher Meilenstein in der Diagnostik der Hüftdysplasie war Anfang der 1980er Jahre die Einführung der Ultraschalluntersuchung der Säuglingshüfte in der Technik nach Graf. Hüftdysplasien können mit dieser nicht strahlenbelastenden Untersuchungsmethode sehr zuverlässig erkannt und einer frühzeitigen Therapie zugeführt werden. Die Ultraschalluntersuchung der Hüftgelenke ist heute fester Bestandteil der dritten Früherkennungsuntersuchung (U3; 4.-6. Lebenswoche); bei bestimmten Risikofaktoren (Geburt aus Beckenendlage; Hüftdysplasie in der Familie; weitere Stellungsanomalien oder Fehlbildungen) oder klinischen Zeichen (Instabilität des Hüftgelenkes; Abspreizhemmung) sollte die Ultraschalluntersuchung bereits in der zweiten Früherkennungsuntersuchung (U2; 3.-10. Lebenstag) erfolgen.
In unserer kinderorthopädischen Abteilung wird die Ultraschalluntersuchung der Säuglingshüfte in der von Graf vorgesehenen, standardisierten Technik ausschließlich durch erfahrene Untersucher durchgeführt (Abb. 1).
Ist eine Hüftgelenksinstabilität oder Luxation nachgewiesen, kann eine Röntgendarstellung des Hüftgelenkes mit Kontrastmittel (sog. Hüftgelenkarthrographie) wertvolle Informationen, die für die individuelle Behandlung bedeutsam sind, liefern.
Aus technischen Gründen ist die Ultraschalluntersuchung des Hüftgelenkes nur bis zu einem bestimmten Reifungszustand des Hüftkopfkernes aussagekräftig möglich. Nach stattgehabtem Laufbeginn des Kindes erfolgt die bildgebende Untersuchung daher, wenn indiziert, mit einer Röntgenuntersuchung.

 

Konservative Therapie

Therapie der Hüftdysplasie

In Abhängigkeit vom individuellen Schweregrad der Hüftdysplasie und vom Entwicklungsstand des Kindes wird das am besten geeignete Therapieverfahren ausgewählt.

1. Konservative Therapie:

Häufig sehen wir bei den Säuglingen in den ersten Lebenswochen eine sog. physiologische Unreife des Hüftgelenkes. Hier ist keine spezifische Therapie angezeigt, eine kurzfristige Kontrolle der adäquaten Nachreifung ist ausreichend.
Bei leichteren Formen einer Hüftdysplasie im Säuglingsalter ist eine Ausreifungsbehandlung indiziert; hierbei wird eine Hüftbeuge-/Abspreizorthese angepasst und die Eltern in die Handhabung der Orthese eingewiesen. In regelmässigen Abständen wird die korrekte Paßform der Orthese überprüft und der Behandlungserfolg sonographisch kontrolliert; bei Erreichen der adäquaten Nachreifung des Gelenkes wird die Orthese dann abtrainiert und braucht nicht mehr getragen werden.
Bei schwereren Formen der Hüftdysplasie mit einem instabilen oder dezentrierten Gelenk finden Repositionsbandagen Anwendung, z. B. die Riemenbandage nach Pavlik. Bei einem Verdacht auf ein Repositionshindernis erfolgt eine Röntgendarstellung des Hüftgelenkes mit Kontrastmittel (Hüftgelenkarthrographie) in Narkose, verbunden mit einer geschlossenen Reposition des Gelenkes und der Anlage eines Becken-Beingipses zur Retention des Gelenkes. Von den Säuglingen wird die Behandlung im Becken-Beingips erfahrungsgemäß sehr gut toleriert. Nur noch selten und nur bei sehr schweren, zunächst irreponiblen Fällen wird das Verfahren der Overheadextension angewendet, bei dem durch kontinuierlichen Zug an den Beinen die Voraussetzungen für eine erfolgreiche geschlossene Reposition geschaffen werden können und somit eine offene Operation vermieden werden kann.
Jede behandelte Hüfte muss bis zum Abschluß des Wachstums in bestimmten Abständen radiologisch kontrolliert werden, um eine sekundäre Verschlechterung zu erkennen und adäquat zu behandeln.
 

Operative Therapie

a) Offene Reposition

Eine offene, operative Reposition des Hüftgelenkes ist in den Fällen erforderlich, bei denen eine geschlossene Reposition nicht erfolgreich war. Meist handelt es sich um sog. teratologische Hüftgelenksluxationen. Auch bei Kindern, bei denen eine Hüftgelenksluxation verspätet festgestellt worden ist, kann eine offene Gelenkreposition indiziert sein. Ab dem 2. Lebensjahr wird die offene Reposition häufig mit gelenkverbessernden Maßnahmen kombiniert.

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b) Gelenkverbessernde operative Maßnahmen

Es werden operative Korrekturen am Oberschenkelknochen (Femur) und am Beckenknochen durchgeführt.
Im Bereich des Femur kann eine Verkürzungsosteotomie und eine Korrektur der Achs- und Torsionsverhältnisse erforderlich sein; die Osteosynthese erfolgt in der Regel mit modernen, winkelstabilen Implantaten, die eine rasche Belastbarkeit ermöglichen.
Am Beckenknochen stehen, in Abhängigkeit vom individuellen Befund und dem Alter des Kindes, verschiedene operative Verfahren zur Verfügung.

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Das Ziel der korrigierenden Operationen am Beckenknochen ist die Verbesserung der Hüftgelenksüberdachung und die Vergrößerung der kongruenten Belastungsfläche des Gelenkes. Abbildung 2 zeigt beispielhaft das Röntgenbild einer Hüftgelenkssubluxation vor (Abb. 2a) sowie unmittelbar nach der operativen Korrektur mittels operativer Pfannendachplastik (nach Dega) am Beckenknochen sowie verkürzender, varisierender und derotierender Umstellungsosteotomie am Oberschenkelknochen

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