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Zentrale Notaufnahme - Warum Sie manchmal warten müssen

Zentrale Notaufnahme - warum Sie manchmal warten müssen

Bild: Krankenhauspersonal mit Patient:in

Vier Gesundheitsrisiken beherrschen den Alltag in der ZNA: schwere Unfälle, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Blutvergiftungen. Wer keine lebensbedrohliche Erkrankung hat, muss manchmal warten.

Haben Sie Vertrauen!

Vielleicht haben Sie schon einmal zu Fuß die Notaufnahme eines Krankenhauses aufgesucht: weil Sie Beschwerden hatten, die Sie ängstigten oder sich eine Verletzung zugezogen hatten, die Ihnen nicht ganz geheuer war. Dann haben Sie womöglich etwas länger auf Ihre Behandlung gewartet. Sich nach einer Stunde angefangen, zu ärgern. Und sich gefragt: „Wieso kommen alle anderen dran und nicht ich?

Privatdozentin (PD) Dr. Sara Sheikhzadeh, Chief Medical Officer der Asklepios Kliniken GmbH & Co. KGaA, wirbt für Verständnis: „Wir sehen die Not eines jeden Patienten“, sagt die 44-Jährige. Natürlich wünsche sie sich, jeden Menschen, der unter einer Erkrankung leide, so schnell wie möglich zu behandeln. Das aber sei aufgrund des hohen Patientenaufkommens nicht immer möglich. Sie bittet um Vertrauen: „Wir haben manchmal sechzig Patientinnen und Patienten zur gleichen Zeit“, so die Kardiologin. „Da müssen wir eine Auswahl treffen. Und die richtet sich danach, wer das höchste Risiko trägt.“ Triage nennt sich dieses Verfahren, französisch für „Sortieren, Sichten“.

Triage – Fünf Farben, fünf Risikogruppen

Grafik: Triage-System

© Asklepios Kliniken

In den Asklepios Kliniken wird – wie in vielen Kliniken bundesweit – das Manchester Triage System angewandt. Das qualitätsgesicherte Frage- und Beurteilungs-System teilt Gesundheitsrisiken in Farben ein. Patientinnen und Patienten, die bei Bewusstsein sind oder zu Fuß die Notaufnahme erreichen, werden dabei einer strukturierten Befragung unterzogen. „Ziel ist es, die Schwere einer Erkrankungeinzuschätzen und über Farben zu visualisieren“, erklärt Dr. Jochen Thiele, Leiter des Instituts für Notfallmedizin, das am Standort Hamburg-Harburg oder vor Ort in den einzelnen Kliniken Schulungen für das gesamte medizinische Fachpersonal der Asklepios Kliniken durchführt, auch im Schockraum und der Notaufnahme.

„Die Farbe Rot steht für Patientinnen und Patienten, die sofort behandelt werden müssen. Das sind beispielsweise Menschen, die einen schweren Unfall erlitten oder einen Schlaganfall haben“, so der erfahrene Notarzt. Orange Risiken fallen in die Kategorie sehr dringend und müssen innerhalb von zehn Minuten, gelbe Risiken als dringende innerhalb einer halben Stunde behandelt werden. Die Farben Grün und Blau stehen für normale und nicht dringende Beschwerden. Hier dürfen die Wartezeiten laut Manchester Triage System bis zu anderthalb bzw. zwei Stunden betragen. 

Betroffene Patientinnen und Patienten können diese für sie überraschend lange Wartezeit – „ich bin doch in der Notaufnahme!“ – manchmal nicht nachvollziehen. Insbesondere dann, wenn andere, die später kommen, vermeintlich vorgezogen werden. Diese, aus ihrer Sicht durchbrochene Reihenfolge empfinden sie als ungerecht, wenn nicht gar als persönliche Zurücksetzung. „Deshalb ist Kommunikation so wichtig“, erklärt PD Dr. Sara Sheikhzadeh. Ihre Teams sprechen die medizinisch notwendige Priorisierung mit den Patientinnen und Patienten offen an. Und zwar gleich im ersten Gespräch.  „In unseren Kliniken erhalten alle Patienten unabhängig von ihrer Risikoeinschätzung einen so genannten First View von einer Ärztin oder einem Arzt“, so Dr. Sheikhzadeh. „Dazu gehört, jedem Patienten zu erklären, was die Ursache seiner Beschwerden ist, wie die nächsten Behandlungsschritte aussehen und warum er deshalb, als niedrig dringlicher Patient, womöglich etwas länger warten muss.“ Aufklärung und Empathie seien die Schlüssel, Eskalationen zu vermeiden. Und aufmerksame und zugewandte Behandlungen.

„Meinem Team gebe ich immer wieder mit auf den Weg: Geht mit Euren Patientinnen und Patienten so um als seien sie Eure Mutter oder Tochter, Euer Vater oder Sohn.“ Auch wenn keine körperliche Ursache für die Schmerzen gefunden werden könne, gelte es, den Patienten und die Patientin in ihrer Not wahrzunehmenund zu helfen. „Subjektiv ist der Schmerz ja da!“ so PD Dr. Sheikhzadeh. Triagiert werde aber immer. Weil das Patientenaufkommen immer höher sei als die Anzahl der Köpfe des Notfallteams.  

Wir sehen die Not eines jeden Patienten

PD Dr. Sara SheikhzadehChief Medical Officer (CMO), Asklepios Kliniken GmbH & Co. KGaA

Trainingsprogramm für den Notfall

Bild: Teammitglieder trainieren den Notfall

© Asklepios Kliniken

„Auch deshalb ist es so wichtig, dass die Teams in den ZNA zu jeder Tages- und Nachtzeit sicher und sofort lebensbedrohliche Notfälle erkennen und behandeln können“, erklärt Dr. Jochen Thiele vom Institut für Notfallmedizin. Jemand klagt über akute Kopfschmerzen? Kann ein Hinweis auf eine Hirnblutung sein. Eine ältere Frau leidet unter Übelkeit? Kann auf einen möglichen Herzinfarkt hinweisen. „Wer hier nicht die richtige Diagnosestellt und die dazugehörige Behandlung einleitet, riskiert, dass der Mensch mit schweren Behinderungen weiterleben muss oder gar stirbt“, so Dr. Thiele. Das sei nicht nur für die betroffenen Menschen, sondern auch für das Team eine Katastrophe. Lebenslange Schuldgefühle können die Folge sein. Damit das nicht passiert, gibt es in den Asklepios Kliniken das Trainingsprogramm S.A.V.E: „Sicher arbeiten – Vertrauen erhalten“.

S.A.V.E. wurde maßgeblich vom Konzernbereich Medizinrecht, Versicherungen und Compliance initiiert und gemeinsam mit dem Institut für Notfallmedizin entwickelt. Der Konzernbereich steuert zentral für alle Asklepios Kliniken den Umgang mit medizinischen Schadenfällen. „Wir identifizieren kritische Behandlungsverläufe, werten die Fehlerursachen aus und gehen diese in unseren S.A.V.E. Trainings gezielt an“, erklärt Fachanwältin Nicola Scharf, die das medizinrechtliche Format leitet. Damit das gelinge, stehen die Bereiche Recht und Medizin in einem ständigen Austausch. „Wir halten dadurch nicht nur die Trainingsinhalte hochaktuell“, so die Leitung des Konzernbereichs Medizinrecht, Versicherungen und Compliance, Dr. Cornelia Süfke, „sondern entwickeln zugleich –  gemeinsam mit unseren Spezialisten in den Notaufnahmen vor Ort – unsere Behandlungsstandards auf einem medizinisch hohen Niveau kontinuierlich weiter.“

Inszenierte Stresstests

Das duale Trainingsprogramm wird seit 2020 in allen 33 Zentralen Notaufnahmen der Asklepios Kliniken eingesetzt. Es besteht aus einem theoretisch-praktischen Teil und einem Simulationstraining unter hochrealistischen Bedingungen: Im S.A.V.E. Skillstraining am Institut für Notfallmedizin wird in Kleingruppenarbeit und Workshops das jeweils aktuelle Leitlinienwissen vermittelt und die nötigen Handgriffe geübt; im S.A.V.E. Teamtraining das erworbene Wissen vor Ort in der eigenen Klinik und mit dem eigenen Team praktisch angewandt. „Da muss dann jeder Handgriff und jedes Kommando sitzen“, so Dr. Jochen Thiele, der die S.A.V.E Trainings mit eigens hierfür ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten im Auftrag des Konzernbereichs bundesweit durchführt.

Was die Simulationstrainings so authentisch macht: „Wir arbeiten mit lebensechten Simulationspuppen, die atmen, sprechen, sich bewegen“, berichtet Dr. Jochen Thiele. „Die Puppe steuern wir aus einem Nebenraum heraus, von dort lösen wir auch die Notfallsituation aus, einen epileptischen Anfall beispielsweise.“ Gerade eben hat die Puppe noch über Kopfschmerzen geklagt, jetzt krampft sie in schweren Spasmen, ist nicht mehr ansprechbar. „Da ist so ein Behandlungsteam dann sehr schnell im Film“, so der gebürtige Marburger.

Ihr Aufenthalt in der Zentralen Notaufnahme (ZNA)

© Asklepios Kliniken

Menschen machen Fehler

Bild: Trainingspuppe im Schockraum

© Asklepios Kliniken

„Laut einer Studie sogar alle sieben Minuten einen“, erklärt Dr. Thiele. „Sie vergessen den Haustürschlüssel, lassen das Licht brennen, drücken im Fahrstuhl den falschen Knopf.“ Das alles sei nicht schlimm. „Erst die Verkettung von mehreren, auch menschlichen Fehlern führt dann zur Katastrophe.“ Deshalb müssen mögliche Fehlentscheidungen doppelt und dreifach abgesichert werden, beispielsweise über Schulungen, die die möglichen Fehlerquellen wegtrainieren. „Auch medizinisches Fachpersonal benötigt Trainings“, erläutert Dr. Thiele. Und zwar meistens nicht in ihren alltäglichen Fähigkeiten, „das sind alles Profis, ausgebildete Fachkräfte, die ihr Handwerk beherrschen“, so der 46-Jährige. „In unserem Institut geht es zum großen Teil darum, die Behandlungsteams für verschiedene Notfallszenarien zu sensibilisieren, das Teamwork zu optimieren – und sie fit dafür zu machen, Notfälle zu jeder Zeit in jedem Setting zu bewältigen.“

Was auch gelingt. Die Teams von PD Dr. Sara Sheikhzadeh haben S.A.V.E bereits absolviert. Mit großem Erfolg: „Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben von S.A.V.E. sehr profitiert, die Folgen waren sofort sichtbar: Der Teamgeist wurde gestärkt, die Kommunikation untereinander hat sich verbessert, Sicherheit und Vertrauen in das eigene Handeln und Entscheiden wurden gestärkt.“

Solidarität üben

S.A.V.E steht dafür, Leid zu verhindern und Leben zu retten. Ein Mittel dazu ist die Triage. Die Bedeutung dieses medizinischen Fachbegriffs wurde während der Corona-Pandemie sinnwidrig verengt. Triagieren bedeutet nichtkranke Menschen unversorgt zu lassen oder ihren Hilfebedarf nach ethisch fragwürdigen Kriterien zu beurteilen. Im Gegenteil: Jeder Notfallpatient wird in Deutschland leitliniengerecht und entsprechend der individuellen Dringlichkeit behandelt. Damit das für jeden Patienten gilt, setzt das Verfahren allerdings Solidarität voraus: Solidarität mit den Helfenden – und mit denjenigen, denen es aktuell schlechter geht als einem selbst.

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