Kompressionskleidung – sinnvoll oder nicht?

Effizientere Muskelkraft, verkürzte Regenerationszeit: Viele Athlet:innen schwören beim Sport auf das Tragen von Kompressionskleidung. Doch was ist wirklich dran an den damit assoziierten Effekten? Haben Shirts, Wadenstrümpfe & Co. tatsächlich eine positive Wirkung auf den Körper? Forscher:innen sind dieser Frage im Rahmen einer Metaanalyse auf den Grund gegangen.

Kompressionskleidung soll beim Sport einen positiven Effekt auf den Körper haben.
Wirkt sich das Tragen von Kompressionskleidung beim Sport tatsächlich positiv auf den Körper aus? Forscher:innen sind der These nachgegangen. © iStock

Es klingt verlockend. Kompressionskleidung soll Trainingseffekte fördern und den Körper beim Sport optimal unterstützen. Konkret sind folgende Wirkmechanismen überliefert:

Längere Leistungsfähigkeit

Durch die besondere Beschaffenheit von Kompressionskleidung wird, so die Annahme, die Durchblutung gefördert, und der Druck auf das Gewebe der umschlossenen Extremitäten steigt. Letzteres soll die Entwicklung von Ödemen mindern, die durch Mikroschädigungen der Muskulatur entstehen. Die Folge: Die Muskulatur bleibt länger leistungsfähig, Muskelkater wird reduziert. 

Reduzierte Muskelerschütterungen

Eine weitere Annahme: Kompressionskleidung steigert die Erregbarkeit des Rückenmarks und reduziert Muskelerschütterungen, welche die Muskeln normalerweise kompensieren müssen. Auf diese Weise würde die Muskulatur ebenfalls optimal unterstützt und leistungsfähig gehalten. 

Bessere neuromuskuläre Erregbarkeit

Darüber hinaus, so die Theorie, sorgt der durch die Kompressionskleidung ausgelöste Hautreiz dafür, dass die Verbindung von Nerven und Muskulatur gestärkt wird, was sich ebenfalls positiv auf das Leistungspotenzial auswirken würde. 

Alle drei Wirkmechanismen klingen vielversprechend. Doch halten sie in der Praxis, was sie theoretisch versprechen? Genau dies hat jüngst ein internationales Forscherteam im Rahmen einer Metaanalyse untersucht. Insgesamt 19 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 350 gesunden Personen flossen in die übergreifende Literaturanalyse ein. Die Proband:innen hatten zu unterschiedlichen Teilen verschiedene Trainings und Übungen absolviert und trugen währenddessen oder für eine festgelegte Zeit danach (12, 48 oder 72 Stunden) verschiedene Varianten von Kompressionskleidung. Gemessen wurden schließlich kraftbezogene Outcomes – darunter die maximale isometrische Kontraktion unter anderem von Ellenbogen- und Plantarbeuger sowie die Griffkraft. Das Ergebnis der Metaanalyse: Kompressionskleidung hat keinen begünstigenden Effekt auf die Leistung.

Die Kraft des Geistes

Eine bittere Nachricht für alle, die von den Wirkmechanismen der Kleidung überzeugt sind. Was man allerdings nicht außer Acht lassen darf: Der mentale Effekt, der von der Kleidung ausgehen dürfte, wurde im Rahmen der Analyse nicht untersucht. Und wir alle wissen: Die Kraft des Geistes kann – gerade auch im Sport – einen großen Unterschied machen, die Motivation von Sportler:innen maximal fördern und den Körper zu Höchstleistungen animieren, die aus wissenschaftlicher Sicht kaum zu erklären sind. 

Weitere Forschung nötig

Hinzu kommt: Die Metaanalyse hat nur einige von vielen möglichen Parametern fokussiert. Sicherlich sind weitere Studien erforderlich, um die Wirkungsweise von Kompressionskleidung noch genauer zu erforschen. So könnte man beispielsweise untersuchen, welchen Einfluss die Kleidung speziell auf die Entwicklung von Ödemen hat – etwa, indem man bei Proband:innen, die beim Sport Kompressionstrümpfe getragen haben, den Umfang der Waden nach der Aktivität misst und die Ergebnisse den Werten einer entsprechenden Vergleichsgruppe gegenüberstellt. Treten hier Unterschiede auf? Dies wäre durchaus spannend zu erfahren und relevant für die Frage, ob Kompressionskleidung eine Wirkung erzielt. Sie sehen: Das Kapitel ist noch nicht abgeschlossen, weitere Untersuchungen sind erforderlich. Dennoch liefert die Metaanalyse zweifelsohne wertvolle Hinweise auf die Effektivität von Kompressionskleidung.

Herzlichst Ihr 

Michael Hoffmann

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