Gastbeitrag: Knorpelschaden – warum die Ursache identifiziert werden sollte

Ein Knorpelschaden im Knie lässt sich in der Regel gut diagnostizieren. Schnell rückt dann die optimale Behandlungsmethode in den Fokus. Dabei sollte die Ursache für den Defekt unbedingt eruiert werden. Etwas, das mitunter aus dem Fokus gerät und mittelfristig Probleme verursachen kann.

Knorpelschäden im Knie sind in der Regel gut behandelbar.
Knorpelschäden im Knie sind in der Regel gut behandelbar. © iStock

Schon gewusst? Untersucht man 100 asymptomatische Patient:innen im Alter von 40 Jahren, also Menschen, die keinerlei orthopädische Beschwerden oder Einschränkungen haben, wird man bei ca. 60 Prozent von ihnen Knorpelschäden identifizieren. 

Defekte in diesem Bereich sind keine Seltenheit, doch nicht immer verursachen sie auch Beschwerden. Das ändert sich jedoch, wenn dauerhaft Fehl- oder Überbelastungen vorhanden sind. Patient:innen mit O-Beinen beispielsweise sind automatisch mit einer Mehrbelastung in der innerseitigen Knieregion konfrontiert. Die Folge kann ein sich entwickelnder Knorpelschaden sein. 

Schmerzen setzen häufig erst später ein

Darüber hinaus können auch Traumata Knorpelschäden verursachen. Nicht selten kommt es vor, dass Patient:innen mit akuten Knorpelschäden, die sie sich beispielsweise beim Sport zugezogen haben, zunächst nicht zum Arzt gehen. Der Grund: Entsprechende Verletzungen sind in den ersten Tagen mitunter nicht symptomatisch, erst später setzen Gelenkbeschwerden ein. Häufig bleiben die Auslöser sogar unbemerkt, und die Betroffenen können sich nicht an einen zurückliegenden Unfall oder ein Bagatelltrauma wie eine Prellung oder einen Sturz erinnern, wenn sie sich beim Orthopäden vorstellen. 

Eine Magnetresonanztomographie, kurz MRT, gibt schließlich Aufschluss über den vorliegenden Defekt. Dabei gilt: Ein Knorpelschaden lässt sich oft sehr gut diagnostizieren. Der betroffene Knorpel sieht auf den MRT-Bildern so aus, als hätte man mithilfe eines Förmchens einen Teil ausgestanzt – ganz ähnlich wie beim Teigausstechen von leckeren Plätzchen. Dieser lokale Korpelschaden wird als Früharthrose bezeichnet und findet sich meinst bei jüngeren Patient:innen. Der Schaden muss von der fortgeschrittenen Arthrose als ein diffuser Abrieb des Knorpels unterschieden werden.  

Knorpel kann nicht von selbst heilen

Wichtig: Liegt tatsächlich ein Beschwerden verursachender Knorpelschaden vor, sollte man diesen auch behandeln. Andernfalls fehlt die „Stoßdämpferfunktion“ des Knorpels im Knie, und durch die Mehrbelastung kann ein sogenannter Bone Bruise, ein ebenfalls schmerzhaftes Knochenmarködem, entstehen. Es lohnt sich also, unklaren Knieschmerzen auf den Grund zu gehen. 

Die Behandlung selbst richtet sich insbesondere nach der Größe des Knorpelschadens. Kniegelenk-Studien haben gezeigt, dass unbehandelte Defekte ab einer Größe von zwei Quadratzentimetern einen beschleunigten Arthroseprogress zur Folge haben und den Einsatz einer Prothese im Laufe der Jahre wahrscheinlicher machen können. Je nach Größe, Beschwerden und Schmerzindikation wird dementsprechend über die optimale Behandlung entschieden. Denn: Der Körper besitzt im Hinblick auf Knorpel kein eigenständiges Heilungspotenzial. 

OP bei größeren Defekten

Bei größeren Knorpelschäden ist eine Operation angezeigt. Hierbei gibt es unterschiedliche Verfahren, um den Defekt zu beheben. 

  • Knochenmark anbohren: Bei dieser Methode wird zunächst das geschädigte Knorpelgewebe entfernt und der darunterliegende Knochen mithilfe von Spezialinstrumenten mehrfach angebohrt. Aus den Löchern strömen unter anderem sogenannte „Vorläuferzellen“ des Knochenmarks, aus denen Knorpelersatzgewebe entstehen kann. Das Verfahren wird vor allem bei etwas kleinen Defekten angewandt. Bei der Verwendung mit einer zusätzlichen Membran aus Kollagen, einem natürlichen Strukturprotein des Knorpelgewebes, können auch größere Defekte behandelt werden.
  • Knorpel-Knochentransplantation: Hierbei wird ein Knorpelknochenzylinder via Hohlstanze aus einem nicht belasteten Bereich entnommen und passgenau in den Knorpeldefekt implantiert. Die Methode gilt als sehr zuverlässig und effektiv bei kleinen Schäden.
  • Knorpelzelltransplantation (sogenannte „ACT“): Bei diesem Verfahren wird in einer ersten Operation eine kleine Probe Knorpelgewebe einer ebenfalls nicht belasteten Gelenkregion des Kniegelenkes entnommen. Anschließend werden die in der Knorpelprobe enthaltenen Zellen in vitro (im Labor) so aufbereitet, dass die körpereigenen Knorpelzellen vermehrt werden können. Nach vier bis sechs Wochen können die Zellen mithilfe eines Vlieses im Rahmen einer zweiten Operation in den Defekt eingebracht werden. Diese Methode eignet sich vor allem bei größeren Knorpelschäden.

Welche Methode auch immer angewandt wird – wichtig ist es, stets die Ursache des Knorpelschadens zu beleuchten. So ist es beispielsweise wenig erfolgsversprechend, einen äußeren Gelenkabschnitt zu behandeln, wenn die Patientin oder der Patient ein ausgeprägtes X-Bein hat, das für den Defekt ursächlich ist. Bei einem Knorpelschaden hinter der Kniescheibe muss das Gleiten der Kniescheibe analysiert werden. Bei einem „Fehllaufen“ der Kniescheibe oder gar einer Luxationsneigung (Herausspringen der Kniescheibe) sollte dieses mitbehandelt werden.

Beachtet man diese Aspekte, sind die Prognosen für eine Genesung, die bis zu vier Monate dauern kann, in der Regel gut: Patient:innen erreichen nach erfolgreicher Behandlung und Rehabilitation bis zu 80 Prozent ihres Leistungsvermögens bzw. des sogenannten Return-to-preinjury-levels. Dabei gilt: Die Nachbehandlung ist für die Genesung mindestens so wichtig wie die Operation und Behandlungsmethode selbst. Es lohnt sich also, sich genau mit diesem Themenkomplex auseinanderzusetzen. In diesem Fall steht einem gelungenen Wiedereinstieg in den Sport kaum etwas im Wege.

Herzlichst Ihr 

PD. Dr. Peter Behrendt

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