Myasthenia Gravis
Alles Wissenswerte über Myasthenia Gravis
Schwere Muskelschwäche

Die Myasthenia Gravis (schwere Muskelschwäche) ist eine seltene Autoimmunerkrankung, bei der fehlgesteuerte Antikörper die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln stören. Dadurch kommt es zu einer belastungsabhängigen Muskelschwäche, die sich in Ruhephasen vorübergehend bessern kann. Die Erkrankung kommt in allen Altersgruppen vor. Überwiegend sind allerdings junge Erwachsene und ältere Menschen betroffen.
Im folgenden Text erfahren Sie, welche Beschwerden die Myasthenia Gravis hervorruft und welche Untersuchungen nötig sind, um die Autoimmunerkrankung feststellen zu können. Zudem lernen Sie die verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten kennen, die den Alltag der Betroffenen erleichtern.
Wenn Sie oder Ihre Angehörigen von einer Muskelschwäche betroffen sind, wenden Sie sich gerne an unsere medizinischen Einrichtungen. Unsere erfahrenen Neurolog:innen wissen, was zu tun ist, und begleiten Sie langfristig im Umgang mit der Erkrankung.
Welche Symptome sind typisch für Myasthenia Gravis?
Weil Myasthenia Gravis verschiedene Muskelgruppen betreffen kann, zeigen sich sehr unterschiedliche Symptome. Charakteristisch für die Erkrankung sind beispielsweise die folgenden Beschwerden:
Hängende Augenlider (Ptosis)
Häufig ist die Augenmuskulatur als erstes von der Muskelschwäche betroffen. Dann hängen die Augenlider an einer oder beiden Seiten herab. Bei vielen Betroffenen verstärkt sich dieses Symptom im Laufe des Tages oder wenn die Augen besonderer Belastung ausgesetzt sind.
Doppelbilder (Diplopie)
Ein weiteres Anzeichen einer Mysthenia Gravis im Bereich der Augen sind Doppelbilder. Sie tauchen auf, wenn sich die Bewegungen der Augen nur unzureichend koordinieren lässt. Die Doppelbilder können besonders belastend sein und die Lebensqualität deutlich beeinträchtigen.
Schwäche der Gesichtsmuskulatur
Sind die Gesichtsmuskeln geschwächt, wirkt die Mimik verändert. Das Gesicht erscheint spannungslos, was leicht mit Müdigkeit oder Traurigkeit verwechselt werden kann. Teilweise wirkt auch das Lachen unnatürlich.
Sprech- und Schluckstörungen
Patient:innen, bei denen die Myasthenia Gravis die Muskeln in Mund und Rachen betrifft, sprechen oft verwaschen. Viele haben auch Schwierigkeiten beim Schlucken. Oft verschlimmern sich die Symptome im Tagesverlauf.
Schwäche in Armen und Beinen
Typisch ist außerdem eine allgemeine Muskelschwäche, insbesondere in den Armen und Beinen. Treppen zu steigen, aus dem Sitzen aufzustehen oder auch Gegenstände zu tragen, fällt vielen Betroffenen schwer. Oft kommt die Kraft nach einer kurzen Pause zumindest teilweise zurück.
Erschöpfung der Atemmuskulatur
In schwereren Fällen kann die Atemmuskulatur betroffen sein. Dann leiden die Betroffenen vor allem bei körperlicher Anstrengung unter Atemnot. Es handelt sich um ein ernstes Symptom, das in seltenen Fällen lebensbedrohlich sein kann. Eine ärztliche Überwachung ist daher unbedingt erforderlich.
Symptome nehmen im Tagesverlauf zu
Typischerweise wechselt die Intensität der Beschwerden. Während die Muskelschwäche im Laufe des Tages oder nach körperlicher Belastung zunimmt, bessert sie sich nach Ruhephasen. Diese Schwankungen können von Tag zu Tag unterschiedlich stark ausgeprägt sein.
Die genannten Symptome sind typische Anzeichen für eine Myasthenia Gravis. Falls Sie eines oder mehrere dieser Beschwerden bemerken, sollten Sie zeitnah ärztlichen Rat einholen. Je früher die Autoimmunerkrankung erkannt wird, desto besser lässt sie sich kontrollieren.
Wie wird Myasthenia Gravis diagnostiziert?
Da die Symptome oft unspezifisch sind und mit anderen Erkrankungen verwechselt werden können, ist eine besonders gründliche und umfassende Untersuchung erforderlich. Die Diagnose Myasthenia Gravis muss von einer Neurologin oder einem Neurologen gestellt werden. Nur diese Fachärzt:innen verfügen über die notwendige Erfahrung und entsprechende Diagnostikmethoden.
Anamnese
Der erste Schritt ist eine ausführliche Anamnese. Dabei fragt die Ärztin oder der Arzt nach typischen Beschwerden. Außerdem erfassen unsere Fachkräfte die Ausprägung der Symptome im Tagesverlauf und mögliche Auslöser wie Stress oder Infektionen.
Klinische Tests
Ein einfacher, aber effektiver Test ist der sogenannte Eisbeutel-Test: Die Neurolog:innen legen für einige Minuten einen Eisbeutel auf das betroffene Augenlid der Patientin oder des Patienten. Wird die Schwäche des Lidhebers tatsächlich durch Myasthenia Gravis verursacht, bessert sie sich bei kühleren Temperaturen. Weitere Hinweise auf die Erkrankung geben Haltetests, bei denen die Patient:innen bestimmte Muskelgruppen über einen längeren Zeitraum anspannen müssen.
Wiederholte elektrische Stimulation (Dekrement-Test)
Um die Diagnose zu bestätigen, wenden unsere Spezialist:innen gegebenenfalls einen elektrischen Stimulationstest an. Dabei messen sie die elektrische Aktivität der Muskeln. Typisch für Myasthenia Gravis ist, dass die Muskelantwort bei wiederholter Reizung abnimmt.
Blutuntersuchungen
Bei den meisten Betroffenen lassen sich im Blut Antikörper gegen sogenannte Acetylcholinrezeptoren (AChR) nachweisen. In einigen Fällen sind auch andere Antikörper wie Anti-MuSK-Antikörper relevant. Blutuntersuchungen sind daher ein wichtiger Baustein der Diagnostik.
Bildgebung
Bei vielen Patient:innen mit Myasthenia Gravis treten Veränderungen der Thymusdrüse (lymphatisches Organ hinter dem Brustbein) auf. Um Vergrößerungen oder Tumore auszuschließen, führen unsere Fachkräfte eine Computertomografie (CT, computergestützte Röntgenuntersuchung) oder eine Magnetresonanztomografie (MRT, Bildgebungsverfahren, bei dem ein Magnetfeld genutzt wird) des Brustkorbs durch.
Die Kombination der genannten Untersuchungen macht eine zuverlässige Diagnose möglich. Wichtig ist, dass die Tests von einer neurologischen Fachkraft durchgeführt werden. Sollten Sie Symptome bemerken, die auf eine schwere Muskelschwäche hindeuten, wenden Sie sich bitte an die Spezialist:innen in den medizinischen Einrichtungen von Asklepios.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Myasthenia Gravis?
Eine Myasthenia Gravis ist nicht heilbar, lässt sich aber gut behandeln. Verschiedene Therapieansätze dienen dazu, mögliche Komplikationen zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Dafür kombinieren unsere Fachärzt:innen in der Regel medikamentöse und nicht-medikamentöse Methoden. In den medizinischen Einrichtungen von Asklepios bekommen Sie eine individuell auf Ihre Bedürfnisse abgestimmte Behandlung. Hier sind die häufigsten und bewährtesten Therapieansätze im Überblick.
Medikamentöse Therapie zur Stabilisierung der Muskelfunktion
Grundpfeiler der Therapie ist die medikamentöse Behandlung. Die Präparate verbessern die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln. Außerdem dämpfen sie die Überaktivität des Immunsystems, so dass der Körper weniger fehlgesteuerte Antikörper produziert. Unsere Fachkräfte überprüfen die Dosierung der Medikamente regelmäßig und passen sie bei Bedarf an.
Operative Entfernung der Thymusdrüse (Thymektomie)
Bei vielen Patient:innen mit Myasthenia Gravis ist die Thymusdrüse vergrößert oder verändert. Daher lässt sich der Krankheitsverlauf oft positiv beeinflussen, indem die Thymusdrüse operativ entfernt wird (Thymektomie). Unsere erfahrenen Neurolog:innen erzielen vor allem bei jüngeren Patient:innen und Betroffenen mit einem kurzen Krankheitsverlauf gute Ergebnisse mit diesem Eingriff. In der Regel erfolgt die Operation minimalinvasiv. In den Einrichtungen von Asklepios werden Sie vor, während und nach dem Eingriff umfassend und individuell betreut.
Plasmapherese und intravenöse Immunglobuline
Bei schwereren Krankheitsverläufen oder einer akuten Verschlechterung (myasthene Krise) kommen spezielle Verfahren zum Einsatz. Beispielsweise können mit der Plasmapherese (Austausch des Plasmas) die Autoantikörper, die die Muskelschwäche verursachen, aus dem Blut gefiltert werden. Darüber hinaus stehen spezifische Antikörperinfusionen zur Verfügung. So stabilisiert etwa eine intravenöse Gabe von Immunglobulinen (Antikörper) das Immunsystem und lindert die Symptome. Die Behandlungen erfordern eine intensive Betreuung, die in unseren Einrichtungen durch geschultes Fachpersonal gewährleistet wird.
Logopädie und Physiotherapie
Die Logopädie ist ein wichtiger Bestandteil des Behandlungskonzepts, da mit ihr Schluckstörungen erkannt und daraus resultierende Gefahren vermieden werden können. Die Physiotherapie spielt hingegen eher eine Nebenrolle. Der Schlüssel liegt hier in einem angemessenen Umgang mit der Erkrankung. Die Übungen müssen sorgfältig an den Zustand der Patient:innen angepasst werden, um die körperliche Belastbarkeit zu verbessern und die Muskulatur zu stärken.
Unsere Behandlungsteams in den Einrichtungen von Asklepios kombinieren die genannten Ansätze je nach individuellem Bedarf. Unsere Fachkräfte geben ihr Bestmögliches, um Ihnen eine ganzheitliche und effektive Behandlung zu bieten. Während des gesamten Behandlungsprozesses stehen Sie Ihnen unterstützend zur Seite.
Welche Erkrankungen können begleitend zu Myasthenia Gravis auftreten?
In einigen Fällen leiden Patient:innen mit Myasthenia Gravis an weiteren autoimmun bedingten Erkrankungen. Da sie den Krankheitsverlauf beeinflussen können, müssen sie bei der Behandlung unbedingt berücksichtigt werden. Hier sind einige Begleiterkrankungen im Detail:
Erkrankungen der Thymusdrüse
Die Thymusdrüse spielt eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Myasthenia Gravis. Bei etwa 70 Prozent der Betroffenen ist sie vergrößert, was auf eine gesteigerte Aktivität des Immunsystems hinweist. In etwa 10 Prozent der Fälle finden die Fachärzt:innen ein Thymom, also einen gutartigen oder selten auch bösartigen Tumor der Thymusdrüse. Diese Veränderungen können die Produktion der fehlgesteuerten Antikörper fördern und die Symptome verstärken.
Schilddrüsenerkrankungen
Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse treten zwar selten gemeinsam mit Myasthenia Gravis auf. Eine Hashimoto-Thyreoiditis (chronische Entzündung der Schilddrüse) oder der Morbus Basedow (übermäßige Produktion von Schilddrüsenhormonen) können die Muskelschwäche aber zusätzlich verstärken. Beide Erkrankungen führen zu Symptomen wie Müdigkeit, Gewichtsveränderungen und Herzrasen.
Rheumatoide Arthritis
Auch die rheumatoide Arthritis, eine chronisch-entzündliche Gelenkerkrankung, wird eher selten bei Patient:innen mit Myasthenia Gravis beobachtet. Sie führt zu Schmerzen, Schwellungen und Bewegungseinschränkungen in den Gelenken.
Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
Der Systemische Lupus erythematodes ist eine systemische Autoimmunerkrankung, die verschiedene Organe und Gewebe betreffen kann. Die Kombination mit Myasthenia Gravis ist selten, aber möglich. Die Betroffenen leiden oft an Gelenkschmerzen, Hautveränderungen und Organbeteiligungen, was den Krankheitsverlauf erschweren kann.
Wie können Sie bei einer Myasthenia Gravis Ihr Wohlbefinden verbessern und den Alltag gestalten?
Autoimmunerkrankungen wie Myasthenia Gravis sind in der Regel nicht heilbar, lassen sich aber gut kontrollieren. Bestimmte Maßnahmen können dazu beitragen, dass die Symptome sich nicht verstärken und dass Sie sich wohler fühlen. Hier sind einige Tipps für Ihren Umgang mit der Erkrankung im Alltag.
Warum Ruhephasen wichtig sind
Teilen Sie sich Ihre täglichen Aufgaben gut ein. Es ist wichtig, dass Sie regelmäßig Pausen einlegen und Ihre Energiereserven schonen. Am besten arbeiten Sie in kurzen Intervallen und gönnen sich nach jeder Phase der Anstrengung mindestens 10 Minuten Ruhe. Nutzen Sie außerdem gezielte Entspannungstechniken, da psychischer Stress die Symptome verschlechtern kann. Beispielsweise können Sie Ihr Stresslevel mit progressiver Muskelentspannung, Atemübungen oder Meditation reduzieren. Vor allem nach anstrengenden Aktivitäten oder langen Arbeitstagen sollten Sie sich bewusst Zeit für Erholung nehmen.
Ausreichend Schlaf für die Regeneration
Im Schlaf können die Muskeln sich regenerieren und der Körper schöpft neue Kraft. Achten Sie auf eine Schlafdauer von mindestens sieben bis acht Stunden pro Nacht. Schaffen Sie eine entspannte Schlafumgebung, indem Sie eine konstante Raumtemperatur von etwa 18 Grad Celsius einhalten. Elektronische Geräte sollten Sie kurz vor dem Schlafengehen nicht mehr benutzen. Regelmäßige Schlafenszeiten unterstützen Ihren natürlichen Biorhythmus und fördern die Erholung.
Vermeidung von Alkohol
Alkohol beeinträchtigt die Übertragung von Nervenimpulsen auf die Muskeln und sollte bei Myasthenia Gravis vollständig gemieden werden.
Ungeeignete Medikamente
Bitte beachten Sie, dass auch bestimmte Medikamente die Symptome verstärken. Dazu zählen etwa Magnesiumpräparate oder Mittel gegen Herzrhythmusstörungen. Bevor Sie neue Medikamente einnehmen, sollten Sie immer mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt sprechen und sich über mögliche Wechselwirkungen informieren. Vor operativen Eingriffen ist es wichtig, die Narkoseärztin oder den Narkosearzt über Ihre Myasthenia Gravis zu informieren, um Komplikationen zu verhindern.
Gesunde Ernährung für mehr Energie
Eine ausgewogene Ernährung stärkt das Immunsystem und verbessert die allgemeine Belastbarkeit. Setzen Sie auf frische Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Vollkornprodukte und magere Proteine. Da stark verarbeitete Lebensmittel und Zucker Entzündungen fördern können, sollten Sie vermieden werden. Achten Sie außerdem darauf, Ihren Körper ausreichend mit Flüssigkeit zu versorgen.
Leichte körperliche Aktivität zur Stärkung der Muskeln
Für Ihre Muskelkraft und allgemeine Fitness ist regelmäßige Bewegung empfehlenswert. Wählen Sie moderate Aktivitäten wie Spaziergänge, Radfahren oder Schwimmen, die Sie nicht überfordern. Stimmen Sie Ihr Sportprogramm unbedingt auf Ihre individuelle Belastungsgrenze ab.
Schutz vor Infektionen
Infektionen können die Symptome von Myasthenia Gravis verschlechtern oder sogar eine myasthene Krise auslösen. Versuchen Sie, das Ansteckungsrisiko zu minimieren, indem Sie regelmäßig Ihre Hände waschen und Abstand zu infizierten Personen halten. Lassen Sie sich über Impfungen beraten, da einige Impfstoffe nicht für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem geeignet sind.
Welche Rolle spielt die Thymusdrüse bei Myasthenia Gravis?
Die Thymusdrüse liegt hinter dem Brustbein und ist vor allem in der Kindheit aktiv. Das Organ bildet T-Lymphozyten, die für die Immunabwehr entscheidend sind. Im Erwachsenenalter verkleinert sich die Thymusdrüse normalerweise, doch bei etwa 70 Prozent der Patient:innen mit Myasthenia Gravis bleibt sie aktiv oder ist sogar vergrößert. Bei jeder zehnten Person mit schwerer Muskelschwäche wird ein Thymom diagnostiziert, ein gutartiger oder selten bösartiger Tumor der Thymusdrüse.
Die veränderte Thymusdrüse kann dazu führen, dass übermäßig viele fehlgesteuerte Antikörper gebildet werden. Diese Antikörper blockieren die Acetylcholin-Rezeptoren an den Muskeln und stören so die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln.
Insbesondere bei Patient:innen unter 60 Jahren empfehlen unsere Fachkräfte daher in der Regel eine Entfernung der Thymusdrüse (Thymektomie). Studien zeigen, dass der Eingriff bei einem Drittel der Patient:innen zu einer deutlichen Besserung führt. Zwar ist noch nicht vollständig geklärt, wie die Thymusdrüse die Myasthenia Gravis beeinflusst. Ihre zentrale Rolle bei der Krankheitsentstehung ist allerdings unbestritten.