Kontaktsportart Handball – nichts für Zartbesaitete

Sie scheuen keinen Schmerz und suchen im Angriff selbst allerkleinste Lücken, um zum Torerfolg zu kommen: Handballerinnen und Handballer sind nicht gerade zimperlich und riskieren mitunter schmerzhafte Duelle. Insbesondere nach hart umkämpften Partien bedeutet das für die Medical Teams von Profimannschaften eine Extraschicht.

Kontaktsportart Handball HSVH
Auch für Torhüter wie HSVH-Keeper Johannes Bitter ist die Kontaktsportart Handball mitunter schmerzhaft. © HSVHThore Huter

Bei manchen Zweikämpfen kann man kaum hinsehen. Spieler prallen aufeinander und voneinander ab, liegen mit gequältem Blick am Boden, winden sich mitunter vor Schmerz… Fakt ist: Handball ist nichts für Zartbesaitete. Das wurde mir wieder einmal klar, als ich die Partie des HSVH gegen den HC Erlangen begleitete, welche die Hamburger nach hartem Kampf mit 33:29 (18:13) für sich entscheiden konnten. „Ein Fight über 60 Minuten“, resümierte Linksaußen Casper Mortensen nach dem Schlusspfiff. Und der Blick in die Kabine bestätigte seine Worte. 

Die Spieler im Fokus

Das Physio-Team hatte wortwörtlich alle Hände voll zu tun. Ich begutachtete derweil Blessuren, checkte auch noch einmal, ob die besonders stark in Zweikämpfe involvierten Spieler fit waren und die Zusammenstöße gut überstanden hatten. Unter ihnen: Rückraumass Jacob Lassen, der in der 39. Minute heftig mit Erlangens Abwehrhünen Nico Büdel kollidierte. Beide fielen wie Maikäfer zu Boden, blieben liegen, bewegten sich kaum. In solchen Situationen fokussiere ich voll und ganz die Aktiven, blende die weiteren Geschehnisse und alles um mich herum aus. Ich beobachte genauestens die Reaktionen der Spieler, um im Ernstfall keine Zeit zu verlieren und medizinische Hilfe leisten zu können. 

Das Duell Büdel/Lassen ging zum Glück glimpflich aus. Beide Akteure berappelten sich schnell – Büdel kassierte für das harte Einsteigen gegen Lassen nichtsdestoweniger eine Zweiminutenstrafe; seine dritte insgesamt, sodass die Schiedsrichter die Rote Karte zückten – für Büdel war die Partie damit beendet. Doch längst nicht immer verlaufen Zweikämpfe in dieser Art und Weise.

Angreifer identifizieren „das schwächste Glied“

Als Vollkontaktsport birgt die Disziplin Handball ein größeres Verletzungsrisiko als manch andere Sportart. Dessen sind sich die Aktiven bewusst. Mehr noch. Sie spielen mitunter trotz Schmerzen, achten jedoch penibel darauf, dass ihre „Schwachstelle“ für die Gegner nicht sichtbar ist. Denn auf dem Spielfeld geht es manchmal zu wie in der afrikanischen Savanne: Hungrige Löwen suchen sich das „schwächste Glied der Kette“ und attackieren es. Heißt übersetzt für den Sport: Ist eine Blessur bzw. eine leichte Einschränkung eines Athleten sichtbar, schonen die Gegner diesen nicht. Im Gegenteil. Sie suchen das Duell, wissen um die fehlenden Kräfte bzw. die reduzierte Leistungsfähigkeit des Betroffenen. Besonders gut zu beobachten ist dies im Boxsport. Erleidet einer der Boxer beispielsweise einen Cut im Gesicht, bemüht sich der Gegner, die Stelle immer wieder zu treffen, um die eigenen Siegchancen zu erhöhen und den Kampf nach Möglichkeit vorzeitig zu beenden. 

Ganz so dramatisch ist es im Handball glücklicherweise nicht. Doch es gibt durchaus Profihandballer:innen, die in einem Spiel beispielsweise trotz gebrochener Nase auf das Tragen einer schützenden Carbonmaske verzichten, um die gegnerischen Akteure gar nicht erst auf ihre Einschränkung aufmerksam zu machen. Sinnvoll oder nicht? Darüber lässt sich – insbesondere aus medizinischer Sicht – trefflich streiten. Nichtsdestoweniger sieht man Orthesen bei offiziellen Partien im Handball-Profibereich nur selten, während sie im Training durchaus getragen werden.

Handballerinnen und Handballer, so muss man wohl resümieren, sind extrem leidensfähig und wenig zimperlich. Achten Sie bei der nächsten Partie, die Sie verfolgen, einmal gezielt darauf. Sie werden direkt nachvollziehen können, was ich meine.

Herzlichst Ihr 

Michael Hoffmann

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