Selbstverletzendes Verhalten bei Kindern und Jugendlichen

Alles Wissenswerte über Selbstverletzendes Verhalten

Selbstverletzendes Verhalten bei Kindern und Jugendlichen

Selbstverletzung oder Selbstschädigung ist ein komplexes Phänomen, das vor allem bei Kindern und Jugendlichen auftritt. Es umfasst Handlungen, bei denen sich Betroffene absichtlich körperlichen Schaden zufügen, ohne dabei eine suizidale Absicht zu verfolgen.  

Im Folgenden beschreiben unsere Spezialist:innen Diagnostik, Symptome und Therapien von diesem nicht-suizidalen selbstverletzenden Verhalten (NSSV). Sie möchten damit bei den jungen Menschen sowie bei deren Angehörigen ein besseres Verständnis für die Verhaltensweise schaffen. Auf dieser Basis fällt es Betroffenen meist leichter, professionelle Unterstützung zu suchen und anzunehmen.

Wenn du dich manchmal selbst verletzt, dann sprich einen Erwachsenen an, der dir zuhört und dich unterstützen kann. Das können deine Eltern, eine andere Vertrauensperson oder eine Ärztin oder ein Arzt sein. Wenn Sie als Eltern bei Ihrem Kind Verletzungen sehen, die Sie sich nicht erklären können, holen Sie sich professionellen Rat, zum Beispiel bei unseren erfahrenen Expert:innen bei Asklepios.

Welche Symptome sind typisch bei selbstverletzendem Verhalten von Kindern und Jugendlichen?

Nicht-suizidales selbstverletzendes Verhalten (NSSV) äußert sich durch eine Reihe von Symptomen. Die folgenden Aspekte sind bei Kindern und Jugendlichen die häufigsten Anzeichen für Selbstschädigung und sollten stets ernst genommen werden:

  • Sichtbare Verletzungen: Häufigste Symptome sind sichtbare Schnitte, Kratzer oder Verbrennungen an Armen, Beinen oder anderen Körperstellen. Sie treten in der Regel wiederholt auf.
  • Verheimlichung der Verletzungen: Betroffene Kinder und Jugendliche tragen oft Kleidung, die die Verletzungen verdeckt; unabhängig von der Wetterlage, also zum Beispiel eine Jacke im Hochsommer.
  • Veränderung des Verhaltens: Rückzug von sozialen Aktivitäten, Veränderungen im Ess- oder Schlafverhalten und ein allgemeiner Rückzug gehen häufig mit Selbstverletzungen einher.
  • Emotionale Instabilität: Starke Stimmungsschwankungen, plötzliche Wutausbrüche oder Weinkrämpfe können ebenfalls Symptome sein.
  • Geringes Selbstwertgefühl: Negative Äußerungen über sich selbst, ein sichtbar geringes Selbstwertgefühl und Selbstkritik sind oft mit Selbstverletzung assoziiert.
  • Faszination für selbstschädigendes Verhalten: Gespräche über Selbstverletzung oder eine Faszination für Themen rund um Verletzungen und Schmerz können ebenfalls Anzeichen sein.
  • Risikoverhalten: Ein erhöhtes Engagement in risikoreichen Aktivitäten kann ebenfalls ein Symptom für Selbstschädigung sein.

Die Symptome von nicht-suizidalem selbstverletzendem Verhalten (NSSV) können bei den Geschlechtern unterschiedlich ausgeprägt sein oder wahrgenommen werden. So zeigen Studien, dass weibliche Jugendliche häufiger Methoden der Selbstverletzung wählen, die mit Blutungen einhergehen, wie das Schneiden oder Kratzen der Haut. Es ist wichtig, solche geschlechtsspezifischen Unterschiede zu berücksichtigen und das Verhalten entsprechend sensibel zu beobachten.

Wenn du diese Symptome liest, dich bei einigen erkennst, aber nicht sicher bist, ob du wirklich Hilfe brauchst, dann sprich mit einem Erwachsenen deines Vertrauens oder geh zu einer Beratungsstelle. Wenn Sie als Eltern bei Ihrem Kind eines oder mehrere der genannten Symptome feststellen, lassen Sie sich professionell beraten. Unsere Expert:innen bei Asklepios stehen Ihnen und Ihrem Kind einfühlsam und mit umfassenden Erfahrungswerten zur Seite.

Wie verläuft die Diagnostik bei selbstverletzendem Verhalten von Kindern und Jugendlichen?

Die Diagnose von nicht-suizidalem selbstverletzendem Verhalten (NSSV) ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, betroffenen Kindern und Jugendlichen die notwendige Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen. Die Diagnostik erfolgt in der Regel durch Fachpersonal aus dem Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie oder der Psychologie. Ein Teil ist die Anamnese. Das sind Gespräche, die klinische Interviews, Selbstberichte und gegebenenfalls auch Informationen von Eltern oder anderen Bezugspersonen umfassen.

Als wesentliches Element der Diagnostik nutzen unsere Fachkräfte die Kriterien der „Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (International Classification of Diseases, kurz ICD). Konkret sind das die ICD-10- und ICD-11-Kriterien für nicht-suizidales selbstverletzendes Verhalten. Dazu gehören:

  • Erwartungen: Die Selbstverletzung erfolgt mit der Erwartung, Entlastung von negativen Gefühlen oder einem negativen kognitiven Zustand zu erleben, zwischenmenschliche Probleme zu lösen oder einen positiven Gefühlszustand herbeizuführen.
  • Begleitende Merkmale: Vor der Selbstverletzung bestehen häufig zwischenmenschliche Probleme oder negative Gefühle oder Gedanken.
  • Soziale Sanktionierung: Das Verhalten ist nicht sozial sanktioniert und beschränkt sich nicht auf kulturell akzeptierte Praktiken.
  • Klinische Bedeutsamkeit: Das Verhalten verursacht klinisch bedeutsames Leiden oder Beeinträchtigungen in wichtigen Funktionsbereichen.
  • Ausschluss anderer Störungen: Das selbstverletzende Verhalten ist nicht besser durch eine andere psychische Störung oder einen medizinischen Krankheitsfaktor zu erklären.

Zusätzlich können unsere Spezialist:innen standardisierte psychometrische Instrumente wie Fragebögen und Interviews einsetzen, um ein genaueres Bild von den selbstverletzenden Verhaltensweisen zu erhalten. Diese Instrumente ermöglichen es, das Verhalten quantitativ zu erfassen und können somit die Diagnostik unterstützen.

Eine umfassende Anamnese beinhaltet die Erhebung von Informationen über den Beginn und die Entwicklung der Selbstverletzung, die verwendeten Methoden, die Häufigkeit und die Intention hinter dem Verhalten.

Neben der Anamnese ist die körperliche Untersuchung Teil der Diagnostik. Sie hilft dabei, das Ausmaß der Selbstverletzung sowie mögliche begleitende Störungen zu identifizieren.

Nicht-suizidales selbstverletzendes Verhalten (NSSV) kann im Kontext verschiedener psychischer Störungen auftreten. Daher ist eine sorgfältige Differenzialdiagnostik erforderlich. Unsere Expert:innen bei Asklepios berücksichtigen in ihrer Arbeit, dass ein und dasselbe Verhalten seinen Ursprung in unterschiedlichen Erkrankungen haben kann. Sie erstellen ihre Diagnose deshalb mit großer Sorgfalt.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es für nicht-suizidales selbstverletzendes Verhalten?

Die Behandlung einer psychischen Erkrankung mit nicht-suizidalem selbstverletzendem Verhalten (NSSV) bei Kindern und Jugendlichen erfordert einen multimodalen Ansatz. Unsere Fachkräfte passen sie an die individuellen Bedürfnisse ihrer jungen Patient:innen an. Zu den häufigsten und effektivsten Behandlungen zählen psychotherapeutische Verfahren, die Einbeziehung des sozialen Umfelds sowie spezifische Programme zur Reduktion von Selbstverletzungen. Asklepios bietet eine Reihe dieser Dienste an, um Betroffenen und ihren Familien zu helfen.

Psychotherapie

Psychotherapie ist einer der Grundpfeiler in der Behandlung von nicht-suizidalem selbstverletzendem Verhalten. Sie soll den Betroffenen helfen, die zugrundeliegenden emotionalen Probleme zu verstehen und zu bearbeiten, die zu selbstschädigendem Verhalten führen. Psychotherapeutische Ansätze können Verhaltenstherapie und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie umfassen. In der Therapie lernen die Jugendlichen, ihre Emotionen zu regulieren, alternative Bewältigungsstrategien zu entwickeln und ihre Selbstwahrnehmung zu verbessern.

Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT)

Die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) ist eine Form der kognitiven Verhaltenstherapie, die speziell für die Behandlung von Personen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickelt wurde, aber auch bei Selbstschädigung wie NSSV wirksam ist. Die Therapie hilft den Kindern und Jugendlichen, ihre Emotionsregulation zu verbessern, Stressbewältigung zu erlernen und zwischenmenschliche Fähigkeiten zu stärken. Die Therapie umfasst Einzel- und Gruppensitzungen, in denen Fertigkeiten trainiert werden, die den Umgang mit schwierigen Emotionen und Situationen erleichtern.

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie für Kinder und Jugendliche ist ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren, das unbewusste Konflikte und frühere Beziehungserfahrungen als Ursache psychischer Beschwerden betrachtet. Im Mittelpunkt steht die therapeutische Beziehung. Innere Konflikte des Kindes bearbeitet die Therapeut:in spielerisch (zum Beispiel in Spielen oder in Bildern) oder im Gespräch. So kann sie oder er das Erleben und Verhalten des Kindes oder der jugendlichen Person besser verstehen und positiv verändern. Auch die Einbeziehung der Eltern spielt eine wichtige Rolle im Therapieprozess.

Familientherapie

Die Einbeziehung der Familie ist ein wichtiger Aspekt bei der Behandlung von nicht-suizidalem selbstverletzendem Verhalten. Familientherapie bietet einen Rahmen, in dem Familienmitglieder lernen können, effektiver zu kommunizieren, Konflikte zu lösen und die Beziehungen untereinander zu stärken. Dies kann dazu beitragen, das unterstützende Umfeld zu schaffen, das für die Bewältigung von Selbstschädigung notwendig ist.

Die Behandlung von nicht-suizidalem selbstverletzendem Verhalten (NSSV) ist ein komplexer Prozess, der Geduld und Engagement erfordert. Unsere Expert:innen bei Asklepios bieten eine Vielzahl von Therapien an, die sie an die spezifischen Bedürfnisse jeder ihrer Patientinnen und Patienten anpassen. Sie kombinieren bewährte und innovative Methoden, um den jungen Betroffenen und ihren Familien die bestmögliche Unterstützung zu bieten.

Welche Begleiterkrankungen treten bei selbstverletzendem Verhalten auf?

Nicht-suizidales selbstverletzendes Verhalten (NSSV) tritt in Verbindung mit psychischen Erkrankungen auf. Diese Begleiterkrankungen können sowohl Ursache als auch Folge der Selbstschädigung sein. Unsere Fachkräfte bei Asklepios denken diese möglichen Erkrankungen im Rahmen der Diagnostik und Behandlung immer mit.

Depression

Depression ist eine der häufigsten Begleiterkrankungen bei nicht-suizidalem selbstverletzendem Verhalten. Sie ist gekennzeichnet durch anhaltende Niedergeschlagenheit, Interessenverlust, verminderten Antrieb und eine allgemeine Reduktion der Lebensfreude. Jugendliche mit Depressionen können auch Schlafstörungen, Appetitveränderungen und Konzentrationsprobleme erleben. Die Verbindung zwischen Depression und Selbstverletzung ist besonders stark, weil betroffene junge Menschen Selbstverletzung oft als eine Form der Bewältigung von intensiven negativen Gefühlen nutzen.

Angststörungen

Angststörungen umfassen eine Gruppe von Erkrankungen, die durch übermäßige Sorgen, Ängste und körperliche Symptome wie Herzrasen, Zittern und Schwitzen charakterisiert sind. Jugendliche mit Angststörungen können Selbstverletzung nutzen, um kurzfristige Erleichterung von der überwältigenden Angst zu erfahren.

Borderline-Persönlichkeitsstörung

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eng mit Selbstverletzung verbunden und zeichnet sich durch ein Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, Selbstbild und Affekten sowie durch ausgeprägte Impulsivität aus. Selbstverletzendes Verhalten kann bei dieser Störung eine Rolle in der Emotionsregulation spielen oder als Ausdruck innerer Spannungszustände dienen.

Essstörungen

Essstörungen wie Appetitlosigkeit (Anorexie), Ess-Brech-Sucht (Bulimie) und Heißhungerattacken (Binge-Eating-Störung) können ebenfalls mit Selbstverletzung einhergehen. Die zugrunde liegende Problematik der Körperwahrnehmung und des Selbstwerts kann zu diesem zweifachen selbstschädigenden Umgang mit dem eigenen Körper führen.

Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

Eine posttraumatische Belastungsstörung folgt auf traumatische Erlebnisse und ist durch wiederkehrende, belastende Erinnerungen an das Ereignis, Vermeidungsverhalten und erhöhte Erregung gekennzeichnet. Selbstverletzung kann in diesem Kontext als Versuch verstanden werden, mit den intensiven Emotionen und Erinnerungen umzugehen.

Substanzmissbrauch

Substanzmissbrauch, also der Konsum von Alkohol, anderen Drogen oder Medikamenten über das normale Maß hinaus, kann sowohl eine Begleiterscheinung als auch ein Risikofaktor für Selbstverletzung sein. Jugendliche könnten Substanzen nutzen, um Gefühle zu betäuben oder ihnen zu entfliehen. Das wiederum erhöht das Risiko für selbstschädigendes Verhalten.

Die Behandlung von nicht-suizidalem selbstverletzendem Verhalten (NSSV) erfordert auch die Behandlung dieser Begleiterkrankungen. Unsere Expert:innen bei Asklepios verfolgen deshalb einen integrativen Therapieansatz, der alle relevanten psychischen Störungen berücksichtigt und bereits in der Diagnostik mitdenkt. Unsere Fachkräfte beraten und unterstützen die Kinder, Jugendlichen und Angehörigen umfassend und einfühlsam.