Autismus-Spektrum-Störungen bei Erwachsenen
Alles Wissenswerte über Autismus-Spektrum-Störungen (ASS)
Autismus bei Erwachsenen

Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) sind neurologische Entwicklungsstörungen, die sich sehr früh und auf besonders vielfältige Weise äußern können. Bei einigen Betroffenen werden sie erst im Erwachsenenalter erkannt. Menschen mit Autismus fällt es häufig schwer, mit anderen Personen zu interagieren. Dafür haben sie aber oft ausgeprägte Stärken auf anderen Gebieten.
Gemeinsam mit unseren Expert:innen für Psychiatrie haben wir in den folgenden Abschnitten alle relevanten Informationen zu Autismus-Spektrum-Störungen zusammengetragen. Sie erfahren, wie Autismus bei Erwachsenen diagnostiziert wird, welche Symptome typisch sind und welche Strategien zur Verfügung stehen, um den Alltag besser zu bewältigen.
Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die Fachkräfte in den medizinischen Einrichtungen von Asklepios mit umfassenden Erfahrungswerten zur Seite.
Welche Symptome treten bei Autismus-Spektrum-Störungen im Erwachsenenalter häufig auf?
Autismus kann bei Erwachsenen sehr unterschiedliche Ausprägungen haben. Je nachdem, in welchem Bereich des Spektrums sich die Betroffenen befinden, zeigen sich unterschiedliche Verhaltensmuster. Hier nennen wir Ihnen die häufigsten Anzeichen, die bei Erwachsenen mit ASS auftreten können:
Schwierigkeiten in sozialen Situationen
Viele Betroffene haben Probleme, sich in sozialen Kontexten zurechtzufinden. Ihnen fällt es schwer, Gespräche zu beginnen oder aufrechtzuerhalten. Smalltalk wird als unangenehm empfunden, da er für die Betroffenen keinen erkennbaren Zweck erfüllt. Darüber hinaus ist es für Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung nicht leicht, Freundschaften oder Beziehungen aufzubauen und zu pflegen.
Schwierigkeiten mit non-verbaler Kommunikation
Oft können non-verbale Signale wie Mimik, Gestik oder Tonfall nicht richtig interpretiert werden. Viele Betroffene erkennen Sarkasmus oder Ironie nicht. Das kann zu Missverständnissen in zwischenmenschlichen Beziehungen führen.
Vermeiden von Blickkontakt
Ein typisches Anzeichen für ASS ist das Vermeiden von Blickkontakt in der sozialen Interaktion. Dadurch werden die Betroffenen von anderen als unhöflich oder desinteressiert wahrgenommen, obwohl dies nicht der Fall ist.
Unter- oder Überempfindlichkeit bei Sinneswahrnehmungen
Einige Menschen mit ASS reagieren besonders stark auf Sinneseindrücke und empfinden laute Geräusche, intensive Gerüche oder bestimmte Texturen als überwältigend. Oftmals sind sie zum Beispiel besonders licht- und geräuschempfindlich und haben den Eindruck, dass alle Reize ungefiltert auf sie einströmen. Manchmal besteht jedoch auch eine geringere Empfindlichkeit für zum Beispiel Schmerz- oder Kältewahrnehmung. Solche sensorischen Besonderheiten können den Alltag erheblich beeinflussen und zu ausgeprägtem Stresserleben führen.
Vorliebe für Regeln und Routinen
Die Betroffenen bevorzugen meist festgelegte Abläufe und Routinen. Dann lösen Veränderungen im Alltag schnell Unruhe aus oder machen Angst. Stabile Strukturen helfen Menschen mit ASS dabei, sich sicherer und wohler zu fühlen.
Repetitive Verhaltensweisen
Bei einigen Menschen mit Autismus sind wiederholte Bewegungen oder Handlungen zu beobachten. Beispielsweise „flattern“ sie mit den Händen oder laufen nervös umher. Medizinisch werden diese Verhaltensweisen als „Stimming” bezeichnet. Sie tragen dazu bei, Stress abzubauen oder sich zu beruhigen.
Begrenzte Interessen
Oft fokussieren sich Erwachsene mit ASS stark auf bestimmte Themen oder Aktivitäten. Diese Spezialinteressen sind häufig sehr detailliert und intensiv. Das ist zum einen als Stärke zu betrachten, kann jedoch auch dazu führen, dass andere Lebensbereiche vernachlässigt werden.
Die aufgeführten Verhaltensweisen sind bei einer Autismus-Spektrum-Störung bei Erwachsenen besonders häufig. Dabei ist es uns wichtig zu betonen, dass nicht alle Betroffenen jedes Muster zeigt. Die Störung äußert sich individuell sehr unterschiedlich. Falls Sie bei sich selbst entsprechende Anzeichen beobachten, kann eine ärztliche Abklärung hilfreich sein. In den medizinischen Einrichtungen von Asklepios werden Sie von einfühlsamen Fachkräften betreut, die bei einem Autismus-Verdacht der Ursache auf den Grund gehen und individuell für Sie die passende Begleitung und Therapie abstimmen.
Wie wird eine Autismus-Spektrum-Störung bei Erwachsenen diagnostiziert?
Weil die Symptome oft weniger eindeutig sind als bei Kindern, ist die Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) im Erwachsenenalter besonders herausfordernd. Viele Betroffene haben im Laufe ihres Lebens gelernt, ihre Schwierigkeiten zu kompensieren. Bei einigen werden die Anzeichen zusätzlich von Begleiterkrankungen überdeckt. Gerade deshalb ist eine präzise Diagnosestellung wichtig, um passende Unterstützung und geeignete Therapieansätze zu finden.
Der Weg zur Diagnose
Der erste Schritt ist ein ausführliches Gespräch mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt. In dieser sogenannten Anamnese erfassen die Psycholog:innen beziehungsweise Psychiater:innen die Entwicklungsgeschichte, Verhaltensweisen und aktuelle Schwierigkeiten der betroffenen Person. Am besten bringen Sie eine Ihnen nahestehende Person zu dem Termin mit. Angehörige oder Menschen aus dem sozialen Umfeld können oft zusätzliche Informationen über die Kindheit und Jugend geben. Denn auch wenn sie erst im Erwachsenenalter zu Leidensdruck führt, zeigt sich eine ASS oft bereits in frühen Lebensjahren.
Standardisierte Diagnoseverfahren
Fragebögen und Tests helfen bei der Diagnosestellung, indem sie typische Merkmale von ASS erfassen. Dazu zählen Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion und Kommunikation, repetitive Verhaltensweisen und sensorische Besonderheiten. Die non-verbale Kommunikation über Mimik und Gestik ist ebenfalls wichtig für die Diagnostik.
Differenzialdiagnostik
Eine ASS im Erwachsenenalter kann leicht mit anderen psychischen Erkrankungen wie zum Beispiel Angststörungen, Depressionen oder Zwangsstörungen verwechselt werden. Daher legen unsere Fachkräfte großen Wert auf eine differenzierte Diagnostik. Sie prüfen eingehend, worauf die Symptome tatsächlich zurückzuführen sind.
In den medizinischen Einrichtungen von Asklepios setzen wir auf eine umfassende und individuelle Diagnosestellung. Unsere Expert:innen analysieren Ihre persönliche Situation sorgfältig, um eine ASS eindeutig feststellen zu können und gemeinsam mit Ihnen die nächsten Schritte zu planen. Anschließend erhalten Sie gezielte Unterstützung, damit Sie Ihren Alltag besser bewältigen können.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei einer Autismus-Spektrum-Störung im Erwachsenenalter?
Autistische Menschen stehen im Alltag vor teils großen Herausforderungen. Während der Behandlung lernen sie, mit den für sie schwierigen Situationen besser umzugehen. Die Therapie zielt nicht darauf ab, die Betroffenen zu verändern. Vielmehr geht es darum, ihre individuellen Stärken und Ressourcen zu fördern. Wir bieten in unseren medizinischen Einrichtungen von Asklepios verschiedene unterstützende Maßnahmen an, die auf jede einzelne Patientin und jeden Patienten abgestimmt werden.
Verhaltenstherapie: Strategien für den Alltag entwickeln
In den meisten Fällen setzen unsere Spezialist:innen bei ASS auf eine Verhaltenstherapie. Diese Behandlungsmethode ist besonders effektiv. Die Betroffenen erlernen soziale Fähigkeiten und entwickeln Verhaltensweisen, die den Alltag erleichtern. Gemeinsam mit unseren Fachkräften erarbeiten die Patient:innen konkrete Strategien für das soziale Miteinander oder den Umgang mit Veränderungen. Dank dieser individuellen Unterstützung werden Sie nach der Therapie besser in der Lage sein, Ihren Alltag zu meistern.
Ergotherapie: Förderung von Alltagskompetenzen
Eine Ergotherapie verbessert die motorischen, kognitiven und sozialen Fähigkeiten. Sie zielt darauf ab, dass Menschen mit ASS selbstständiger werden, sei es in der sozialen Interaktion mit anderen, in der Bewältigung von Alltagsanforderungen oder bei der Arbeit. Dabei passen unsere Ergotherapeut:innen die praktischen Übungen an Ihre speziellen Bedürfnisse und Fähigkeiten an. Dabei kann auch der Umgang mit sensorischen Reizen trainiert werden, um eine Über- oder Unterempfindlichkeiten zu reduzieren. In den Einrichtungen von Asklepios arbeiten die Fachärzt:innen eng mit Ergotherapeut:innen zusammen, um eine umfassende Unterstützung zu gewährleisten.
Unterstützung durch soziale Trainingsprogramme
Soziale Trainingsprogramme sind speziell darauf ausgerichtet, soziale Kompetenzen zu fördern. In Gruppen oder Einzelsettings üben die Betroffenen, wie sie sich in gesellschaftlichen oder beruflichen Kontexten verhalten können. Sie trainieren beispielsweise die Gesprächsführung und den Umgang mit Konflikten, aber auch, wie sie non-verbale Signale erkennen und deuten können. Diese Programme stärken das Selbstbewusstsein und reduzieren soziale Ängste.
Die Fachärzt:innen in den Einrichtungen von Asklepios suchen gemeinsam mit Ihnen nach passenden Therapieansätze. Das Anliegen unserer Mitarbeiter:innen ist es, Sie auf Ihrem persönlichen Weg mit Autismus bestmöglich zu begleiten.
Welche psychischen Erkrankungen treten bei einer Autismus-Spektrum-Störung häufig begleitend auf?
Kommen zu einer ASS noch andere gesundheitliche Einschränkungen hinzu, können ganz alltägliche Aufgaben zu einer erheblichen Belastung werden. Im Folgenden stellen wir Ihnen die häufigsten Begleiterkrankung vor.
Angststörungen
Viele autistische Menschen leiden zusätzlich an Angststörungen. Sie machen sich übermäßige Sorgen, haben Panikattacken oder soziale Ängste – vor allem in Situationen, die schwer vorhersehbar sind. Eine Angststörung kann die Verhaltensmuster einer ASS aufrechterhalten oder verstärken.
Depressionen
Menschen mit ASS haben oft das Gefühl, anders zu sein, und leben sehr zurückgezogen. Viele Betroffene fühlen sich missverstanden oder ausgeschlossen. Als Folge von sozialer Isolation kann eine Depression entstehen. Die Symptome reichen von anhaltender Niedergeschlagenheit über Schlafstörungen bis hin zu einem Verlust jeglichen Interesses.
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
ADHS kommt bei Menschen mit ASS besonders häufig vor. Die Forschung geht davon aus, dass fast die Hälfte der Autismus-Betroffenen zusätzlich eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung hat. Sie zeigt sich zum Beispiel durch impulsives Verhalten und eine ausgeprägte Unruhe. Menschen mit ADHS fällt es schwer, sich zu konzentrieren. Diese Symptome können die Herausforderungen im Alltag mit ASS zusätzlich verstärken.
Zwangsstörungen
Zwangsstörungen zeichnen sich durch wiederkehrende, unerwünschte Gedanken (Zwänge) und repetitive Handlungen aus. Bei Menschen mit ASS können diese Zwänge mit ihren Vorlieben für Routinen und Strukturen verbunden sein, was die Abgrenzung erschwert.
Schlafstörungen
Viele autistische Menschen haben Probleme, einzuschlafen oder schlafen unruhig. Die Schlafstörungen können durch sensorische Überempfindlichkeiten oder eine gestörte innere Uhr verursacht werden und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen.
Bei einer Behandlung von ASS ist es wichtig, solche Begleiterkrankungen im Blick zu haben und gegebenenfalls in die Therapie einzubeziehen. In den medizinischen Einrichtungen von Asklepios setzen wir auf einen ganzheitlichen Ansatz, um Sie bestmöglich zu unterstützen und Ihnen zu helfen.
Wie können Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung den Alltag besser bewältigen?
Es gibt verschiedene Strategien, die Ihnen den Alltag erleichtern. In unseren psychotherapeutischen Behandlungsangeboten können Sie diese Maßnahmen gemeinsam mit unseren Mitarbeiter:innen erarbeiten und in praktischen Übungen umsetzen. Manchmal genügen aber auch schon kleine Änderungen.
Reizüberflutung durch angepasste Umgebungen vermeiden
Eine reizreduzierte Umgebung mildert sensorische Überempfindlichkeiten, die bei ASS häufig vorkommen. Gestalten Sie Ihr Zuhause und Ihren Arbeitsplatz so, dass störende Geräusche, grelles Licht oder intensive Gerüche minimiert werden. Dabei helfen beispielsweise geräuschdämmende Kopfhörer, dimmbare Lampen und geruchsneutrale Reinigungsmittel. Achten Sie gut auf sich und ziehen Sie sich in ein ruhiges Zimmer zurück, wenn Ihnen alles zu viel wird. So können Sie eine Reizüberflutung vermeiden und Stress abbauen.
Welche Stärken gehen mit ASS einher?
Viele Menschen mit Autismus wurden schon in der frühen Kindheit aufgrund ihrer Besonderheiten ausgegrenzt oder mit Defiziten konfrontiert. Dabei hat eine ASS viele positive Seiten. In der passenden Umgebung können die damit einhergehenden Stärken zur Geltung kommen! Das können beispielsweise folgende Vorteile sein:
- Detailgenauigkeit: Menschen mit Autismus nehmen oft kleinste Details wahr, die andere übersehen.
- Logisches Denken: Viele Autisten haben ein ausgeprägtes analytisches Denkvermögen und gehen Probleme strukturiert an.
- Hohe Konzentrationsfähigkeit: Wenn die Betroffenen ein Thema interessiert, findet meist eine tiefe und anhaltende Fokussierung statt.
- Hervorragendes Langzeitgedächtnis: Menschen mit ASS speichern Informationen oft langfristig und erinnern sich detailreich.
- Spezialinteressen mit tiefem Fachwissen: Die intensive Beschäftigung mit bestimmten Themen führt bei vielen autistischen Personen zu Expertenwissen.
- Präzise Informationsverarbeitung: Informationen werden sehr genau erfasst und verarbeitet.
Kreativität und Innovationskraft
- Unkonventionelles Denken: Da sie anders als neurotypische Menschen denken, kommen von ASS betroffene Personen oft zu originellen Lösungen.
- Erfindergeist: Ihre Fähigkeit, Systeme anders zu betrachten, kann zu innovativen Ideen führen.
- Hohe visuelle Vorstellungskraft: Manche Autisten haben ein außergewöhnlich gutes räumliches Denken oder bildhaftes Erinnerungsvermögen.
Soziale und ethische Stärken
- Direktheit und Ehrlichkeit: Autistische Personen sind sehr aufrichtig, vermeiden Lügen und „soziale Spielchen“.
- Gerechtigkeitssinn: Häufig ist zu beobachten, dass die Betroffenen ein starkes Empfinden für Fairness und moralische Prinzipien haben.
- Zuverlässigkeit und Loyalität: Wenn Menschen mit ASS eine Verbindung eingehen, ist diese oft sehr beständig und treu.
- Unabhängigkeit von Gruppenzwang: Sie orientieren sich eher an Logik und Fakten, statt sich gesellschaftlichen Erwartungen zu unterwerfen.
Emotionale und sensorische Stärken
- Starke emotionale Bindungen: Obwohl ihnen soziale Interaktionen schwerfallen, können Autisten tiefgehende Beziehungen aufbauen.
- Hohes Empathievermögen in bestimmten Kontexten: Manche Autisten haben eine intensive emotionale Wahrnehmung, auch wenn sie sie anders ausdrücken.
- Besonderes Gespür für Reize: Sie bemerken Nuancen in Musik, Farben oder Berührungen, die anderen entgehen.
Arbeits- und Leistungsstärken
- Strukturiertes Arbeiten: Viele Autisten sind sehr organisiert und mögen klare Abläufe.
- Hohe Ausdauer und Perfektionismus: Menschen mit ASS können sich lange und intensiv mit einer Aufgabe beschäftigen.
- Spezialisierte Fähigkeiten: In den richtigen Arbeitsumfeldern glänzen Autisten durch ihr Wissen und ihre Präzision.
Bei Asklepios setzen wir einen besonderen Fokus auf die Fähigkeiten. Unsere erfahrenen Fachkräfte tun alles dafür, Sie zu unterstützen, damit Ihnen Ihr Alltag leichter fällt.
Was ist mit dem Begriff Neurodiversität gemeint?
Das Konzept der Neurodiversität beruht auf der Sichtweise, dass jeder Mensch anders ist. Neurobiologische Unterschiede werden also nicht als Defizit wahrgenommen, sondern als Teil der natürlichen Vielfalt. Statt den Blick auf die Erkrankung zu richten, stehen die individuellen Stärken des Individuums im Vordergrund. Barrieren und Probleme werden nicht auf eine gestörte Entwicklung zurückgeführt, sondern eher im Außen gesehen. Der Begriff der Neurodiversität wird auf ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung), ASS (Autismus-Spektrum-Störung), Dyslexie (Lese-Rechtschreibstörung) und andere neurologische Zustände angewendet.