Kinder psychisch kranker Eltern bemühen sich oft um eine „heile Fassade“

Chefarzt Dr. Michael Kroll vom Asklepios Fachklinikum Stadtroda wünscht sich bundesweit mehr familientherapeutische Angebote.

Zehn bis dreißig Prozent der psychisch kranken Mütter haben minderjährige Kinder. Drei Millionen Kinder unter 18 Jahren haben einen psychisch kranken Elternteil.  Psychische Erkrankungen der Eltern gehen an den Kindern nicht spurlos vorbei, weiß Dr. Michael Kroll, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Asklepios Fachklinikum Stadtroda.

Die Crux: Viele psychisch erkrankte Eltern haben Angst, dass ihnen die Kinder weggenommen werden könnten und begeben sich deshalb nicht in Behandlung. Diese Ängste seien vielfach unbegründet, da gerade seitens des Jugendamtes ein hohes Interesse daran bestehe, Kinder in den Familien zu belassen, vor allem dann, wenn die Eltern gut kooperieren. Als Kinder- und Jugendpsychiater ist Dr. Kroll oft damit konfrontiert, „was manche Kinder über lange Zeit aushalten müssen.“ Sie erhielten wenig Förderung oder emotionale Resonanz, seien viel auf sich gestellt und würden nicht selten stark in die Symptomatik oder das Wahnsystem der Eltern einbezogen.

Die Frage „Wie viele Kinder haben Sie und wie alt sind die Kinder?“ sollte Standard sein, wenn Menschen mit Depressionen, Psychosen oder anderen psychischen Erkrankungen behandelt würden, findet Dr. Kroll, der nicht nur Kinderpsychiater ist, sondern zusätzlich als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie auch „Erwachsenenpsychiater“. Er wünscht sich bundeweit mehr und unkomplizierter abrufbare familientherapeutische medizinische Angebote, wie Mutter-Kind-Einrichtungen. Das Problem: Die Finanzierung solcher Aufgaben durch die Krankenkassen gleicht den großen damit verbundenen Aufwand aktuell nicht aus.

„Wenn Erwachsene psychisch krank sind, muss auch nach den Kindern geschaut werden“, unterstreicht Dr. Kroll und verweist darauf, dass etwa fünfzig Prozent der Kinder psychisch Kranker irgendwann selbst psychisch erkranken. Innerhalb der Familien würde das Thema oft tabuisiert. Gerade in Familien, in denen mindestens ein Elternteil von einer Suchterkrankung betroffen ist. Die tabuisierte Suchterkrankung stehe buchstäblich wie ein Elch im Wohnzimmer, der streng riecht und jede Menge Platz beansprucht. Jener Elch, der für die Suchterkrankung steht, ist ein unangenehmer Dauergast, der der Familie den Raum nimmt. 

Gerade Kinder aus Familien mit Suchtproblemen zu erkennen, sei schwierig. Sie versuchten nach Außen hin wie eine Art „Geheimnisträger“ meist die heile Welt aufrecht zu erhalten und verhielten sich – teilweise auffällig - unauffällig. Vielfach übernehmen die Kinder Verantwortung an der Stelle der Eltern, sodass es gleichsam zu einer Rollenumkehr komme. Manche dieser Kinder wirken sehr gereift. Typisch sind auch Schuldgefühle oder unspezifische Symptome.

Am Asklepios Fachklinikum Stadtroda hat sich die Multifamilientherapie bewährt, vor allem eben dann, wenn der Eindruck entsteht, dass Eltern junger Patienten selbst psychische Probleme haben. „Eltern in Therapie zu bringen, ist enorm wichtig“, sagt Dr. Kroll.

Das sollte nicht zuletzt auch für Mütter gelten, bei denen sich nach der Geburt eine Wochenbettdepression einstelle. Hier sei es zunächst wichtig, dass die Mutter aus dem familiären Umfeld Akzeptanz bekomme und der Vater viele Aufgaben übernehme.

Leidet die Mutter unter einer Angststörung, kann es passieren, dass auch die Kinder trennungsängstlich sind. „Angst überträgt sich von allen Störungen am schnellsten. Manche gehen beispielsweise nicht in die Schule, weil sie sich um ihre Eltern Sorgen machen“, sagt Dr. Kroll.

Bei Depressionen, die gekennzeichnet sind durch Antriebsminderung, Rückzug und eine anhaltend gedrückte Stimmung stehen die Eltern als Interaktionspartner oft nicht zur Verfügung. Können Eltern diese wichtige Präsenz nicht ermöglichen, geben sich die Kinder oft die Schuld daran. Manche von ihnen werden selbst depressiv. Auch Eltern mit diagnostizierter Schizophrenie sind häufig mit der Erziehung kleiner Kinder überfordert.

Borderline-Störungen, gerade der Mütter, werden von den Kindern häufig bereits ab den frühen Phasen erlebt. Hier kann bei starken Stimmungsschwankungen der Betroffenen insbesondere die Gefahr gegeben sein, dass sich eine Bindungsstörung entwickelt. Gerade diese Mütter profitieren von der Multifamilientherapie und können sich oft gut entwickeln.

Kinder von psychisch kranken Eltern haben dann gute Entwicklungschancen, wenn Eltern, Angehörige und Fachleute lernen, in sinnvoller und angemessener Weise mit der Erkrankung umzugehen und wenn sich die Patienten und ihre Kinder auf tragfähige Beziehungen stützen können.

„Unsere Arbeit besteht auch immer darin, zu entängstigen und Brücken zu bauen. Es lohnt sich immer, Hilfen in Anspruch zu nehmen. Auch schwierige Erfahrungen sollten nicht davon abhalten, sich unterstützen zu lassen“, sagt Dr. Kroll.

Kontakt:

Dr. Michael Kroll
Chefarzt Kinder- u.  Jugendpsychiatrie,
Psychosomatik u. Psychotherapie
Tel.: (036428) 56 13 53
E-Mail: mi.kroll@asklepios.com

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