Hollywood statt Holzhammer - Klinik für Anästhesie setzt neue Videobrille ein

Pro Jahr werden am Standort Schwalmstadt der Asklepios Schwalm-Eder-Kliniken bis zu 8.000 Operationen durchgeführt, bei denen der Patient eine Narkose benötigt. In 30 Prozent der Fälle reicht eine Lokalanästhesie aus, um den Patienten an der Stelle des Eingriffs schmerzfrei zu halten. Häufig muss man ihn jedoch zusätzlich sedieren, damit er sich während der OP ausreichend entspannt – das kann jedoch manchmal zu unerwünschten Nebenwirkungen führen.

Hollywood im Aufwachraum: Chefarzt Dr. Andreas Hettel führt der entspannten Patientin das „Kino im Miniaturformat“ vor.

Dr. Andreas Hettel, Chefarzt der Klinik für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin, und sein Team gehen seit kurzem neue Wege, mithilfe einer Videobrille wird der zu Operierende sowohl optisch als auch akustisch vom eigentlichen Geschehen abgeschirmt. Während sich die Ärzte beispielsweise um das Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks kümmern, läuft vor den Augen des Patienten ein Film ab, der über Kopfhörer mit dem dazugehörigen Ton ergänzt wird. Die Auswahl reicht vom Spielfilm-Klassiker, über Sport, Reisen und Dokumentationen, bis hin zu Konzerten oder Filmen aus dem Bereich „Natur & Entspannung" - selbstverständlich gibt es auch ein Programm für Kinder.

„Hollywood statt Holzhammer", bringt es Dr. Hettel mit einem Augenzwinkern auf den Punkt, denn für den Mediziner ist die Videobrille eine sehr gute Ergänzung oder gar Alternative zu pharmazeutischen Sedativa. „Wir bieten die Brille vor allem bei orthopädischen OPs an, die durchaus ein bis zwei Stunden dauern können", erzählt er von den bisherigen Einsätzen - dabei nehme sie eine ganze Menge Stress vom Patienten. „Auf dem EKG-Monitor ist weder ein schneller Puls noch ein erhöhter Blutdruck erkennbar", ergänzt Oberärztin Kathrin Hilscher den messbaren Effekt. „Bei den meisten können wir vollends auf zusätzliche Anästhesie verzichten", betont Dr. Hettel die positive Wirkung der audiovisuellen Ablenkung, obendrein verkürze sich die gefühlte OP-Zeit für den Patienten. „Den Kindern nimmt es die Angst, die Erwachsenen finden es toll und sogar die älteren Patienten lassen sich auf die außergewöhnliche Methode ein", freut sich der Anästhesist über die gelungene Einführung der neuen Technik. „Aufgrund der geringeren Medikamentengabe verzeichnen wir zudem kaum noch ein postoperatives Durchgangssyndrom", macht er einen weiteren Vorteil deutlich - bislang machte nämlich diese Verwirrtheit nach dem Eingriff vor allem älteren Patienten zu schaffen, die gegebenenfalls schon im Vorfeld demenzielle Symptome zeigten.

Die Anwendung ist einfach und praktisch, die kompakte Videobrille mit den ergonomisch geformten Kopfhörern kann der Patient problemlos selbst aufsetzen – gespeist wird das „Kino im Miniaturformat" aus einer Box, die über ein Kabel mit dem Headset verbunden ist. Um der notwendigen Hygiene gerecht zu werden, ist das System komplett desinfizierbar und die Earpads werden vor jeden Gebrauch ausgewechselt. Die handliche Fernbedienung erlaubt eine einfache und selbständige Steuerung, gegebenenfalls können auch die Operateure den Filmgenuss unterbrechen, wenn ein direkter Kontakt mit dem Patienten nötig sein sollte. Eine brillante Ton- und Bildqualität sorgt für größtmöglich Ablenkung, dank der großen Auswahl an lizenzierten Videoinhalten, dürfte für jeden Geschmack und jede Behandlungsdauer etwas dabei sein. Das kompakte und mobile System ist sofort einsatzbereit und bedarf keiner vorherigen Installation, zudem ist es mit seiner individuellen Einstellmöglichkeiten auch für Brillenträger geeignet. „Mit dieser Videobrille können wir den Patientenkomfort enorm steigern", ist sich Dr. Hettel sicher und sieht sie als Innovation für die moderne Anästhesie.

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