Jens Spahn lässt Krankenhäuser im Stich: Hohe Belastung der Corona-Krise wird Krankenhäuser überfordern

• Geplanter Schutzschirm verkennt Realität im Gesundheitssystem
• Hohe Belastung der Corona-Krise wird Krankenhäuser überfordern
• Minister Spahn knickt gegenüber dirigistischen Krankenkassen ein
• Bürokratie für Minister Spahn offenbar wichtiger als Menschenleben

23. März: Ergänzung zur ursprünglichen Meldung:

Nach der massiven Kritik von Seiten der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG)  und vieler weiterer Experten am unzureichenden Gesetzentwurf zum Ausgleich der finanziellen Belastungen für die Krankenhäuser hat Gesundheitsminister Jens Spahn den Entwurf nun nochmals überarbeitet und nachbessert.

Die Einrichtungen sollen nun für jedes Bett, das wegen der Verschiebung planbarer Behandlungen erst einmal frei bleibt, 560 Euro pro Tag erhalten, wie es am Sonntag aus Regierungskreisen hieß.  Ursprünglich waren 410 bis 540 Euro je nach Klinikgröße geplant gewesen. Für jede neue intensivmedizinische Einheit mit Beatmungsmaschine sollen die Kliniken 50 000 statt wie zunächst geplant 30 000 Euro erhalten.  Befristet für acht Wochen soll ein Zuschlag je Patient in Höhe von 50 Euro gezahlt werden. Reha- Einrichtungen sollen auch Nicht-Corona-Patienten aufnehmen dürfen. Die jeweiligen Summen sollen je nach Entwicklung kurzfristig angepasst werden können. Das Pflegeentgelt in Höhe von künftig 175 Euro verbleibt vollständig beim Krankenhaus.

„ Vielen Dank an Alle, die sich für entsprechende Anpassungen des Gesetzesentwurfs eingesetzt haben. Die Verbesserungsvorschläge von Herrn Spahn gehen in die richtige Richtung sind aber leider nicht ausreichend, um die deutschen Kliniken in der absehbaren Krise zu stabilisieren. Gesundheitsminister Spahn hält den Häusern nicht wie versprochen den Rücken frei, sondern riskiert Engpässe in den Kliniken und damit die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten und das unabhängig davon, ob sich ein Krankenhaus in privater, kommunaler oder kirchlicher Trägerschaft befindet“, betont der Geschäftsführer der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz, Felix Rauschek.

Ursprüngliche Meldung vom 21. März

Mit dem heute bekannt gewordenen Gesetzentwurf zum Ausgleich der finanziellen Belastungen für die Krankenhäuser bricht der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sein persönliches Versprechen und das der Bundesregierung, die auch in Krankenhäusern tätigen Ärztinnen/Ärzte und Pflegerinnen/Pfleger in der akuten Corona-Krise umfassend zu schützen und zu entlasten.

„Es ist komplett unverständlich, dass der Bundesgesundheitsminister in der historischen Krise nicht alles daransetzt, das Gesundheitssystem in Deutschland sturmfest zu machen. Die Krankenhäuser brauchen dringend umfassende finanzielle Unterstützung und Sicherheit, um so viele Menschenleben wie möglich während der bevorstehenden Hochphase der Corona-Pandemie retten zu können. Stattdessen knickt Herr Spahn gegenüber dem Bürokratiewahn der Krankenkassen ein.
 
Der vorliegende Gesetzentwurf versagt darin, die Zahlungsfähigkeit der Krankenhäuser und Rehakliniken in dieser historischen Krise für das deutsche Gesundheitssystem zu sichern. Dieser Gesetzentwurf verhindert de facto, dass die Krankenhäuser die jetzt zwingend notwendigen Schritte zum Schutz der Bevölkerung einleiten können. Im Gegenteil werden zahlreiche Gesundheitseinrichtungen absehbar in Finanznot geraten, Kurzarbeit anordnen und Mitarbeiter entlassen müssen. Der Gesetzentwurf riskiert damit die Gesundheit und das Leben von sehr vielen Menschen, die an Corona erkranken werden, aber auch von den vielen Menschen, die ja auch weiterhin ihr Krankenhaus benötigen.

„Der Minister feiert eine große symbolische Zahl, die in der Realität aber nicht mehr als ein leeres Versprechen ist und über den Spitzenausgleich am Jahresende auch wieder abgeschöpft wird. Die Krankenhäuser tun aktuell noch alles in ihrer Kraft stehende, um zusätzliche Intensivbetten aufzubauen. Aber wie viele Mitarbeiter werden die Stationen betreiben, wenn die Kliniken sie nicht bezahlen können?“, so Hankeln weiter. „Es ist ein Skandal, dass der Minister die pragmatischen Vorschläge der Krankenhäuser zur schnellen und unbürokratischen Hilfe einfach zur Seite geschoben hat. Mit diesen Vorschlägen hätten die Krankenhäuser zumindest eine Chance gehabt, im Sinne der betroffenen Corona-Patienten und aller Patienten das System in der akuten Krise aufrecht zu erhalten. Herr Spahn, wie erklären Sie es der Bevölkerung, wenn es bald auch in Deutschland zu italienischen Verhältnissen kommt?“
 
Zu allem Überdruss ignoriert das vorliegende Gesetz die Lebenswirklichkeit im Gesundheitssystem vollständig: Es wird unterstellt, dass bei den Krankenhäusern und den Krankenkassen die Verwaltungen derzeit Akkord arbeiten, um alles einzeln bürokratisch abzurechnen. Schon heute ist aber Home-Office die Regel bzw. auf Kostenträgerseite so gut wie gar nicht möglich, Ausgangssperren drohen akut. Es ist schlicht keiner mehr da, der die Zahlungsfähigkeit der Krankenhäuser in dem vorliegenden Modell sichern könnte.
 
Die wichtigsten Aspekte, die die Kliniken in akute Existenznöte bringen werden:

1.       Kein Ausgleich für den Mehraufwand für Verbrauchsmaterialien

Atemschutzmasken, Desinfektionsmittel, Schutzanzüge & Co. sind unbedingt benötigte Materialien, um das Gesundheitssystem in der aktuellen Corona-Krise am Laufen zu halten. Die Preise für überhaupt verfügbare Materialien auf den Märkten explodieren derzeit - weit über die finanziellen Belastungsgrenzen der Krankenhäuser hinaus. Das „Krankenhausentlastungsgesetz“ sieht aber keinerlei Ausgleich und Unterstützung hierbei vor. Die Folge: Da ohne wichtige Materialien kein Krankenhausbetrieb möglich ist, wird den Krankenhäusern schon bald das Geld ausgehen.
 
2.       Aufbau dringend benötigter Intensivkapazitäten wird grundlos verzögert
Der zwingend notwendige Aufbau weiterer Intensivkapazitäten, um schwerkranke Corona-Patienten versorgen zu können, darf erst nach vorheriger Genehmigung des jeweiligen Bundeslandes erfolgen. Ein bürokratisches Verfahren, das nur Zeit kostet – die wir in Deutschland nicht mehr haben! Jeder Tag, den wir vergeuden, um Intensivkapazitäten aufzubauen, kann später Menschenleben kosten! Zudem liegt der Pauschalbetrag pro Intensivbett laut Gesetzentwurf bei 30.000 EUR, ein Betrag, der in keinster Weise die Kosten deckt! Die tatsächlichen Kosten sind nach Beurteilung der Deutschen Krankenhausgesellschaft fast dreimal so hoch. Die Folge: Der Aufbau von Intensivbetten verlangsamt sich deutlich oder kann von den Krankenhäusern erst gar nicht geleistet werden!
 
3.       Pauschalbeträge decken Erlösausfall bei weitem nicht
Die Krankenhäuser richten – wie man Herrn Spahn versprochen hat - derzeit alle verfügbaren Kapazitäten auf die Behandlung von Corona-Patienten aus. Dafür verschieben sie Operationen und Rehabilitationsaufenthalte, sagen Behandlungen ab oder nehmen Patienten mit nicht lebensgefährlichen Krankheiten nicht auf. Klares Ziel: So viele Corona-Patienten wie möglich behandeln zu können. Dafür verzichten die Krankenhäuser auf hohe Einnahmen aus den abgesagten Behandlungen etc. Das Krankenhausentlastungsgesetz soll diese Verluste ausgleichen. Die vorgesehenen Pauschalbeträge, um den Erlösausfall der Krankenhäuser auszugleichen, liegen weit unter den tatsächlichen Kosten und Ausfällen. Teilweise decken sie nicht einmal die Hälfte der Netto-Ausfälle.

 
4.       Unverhältnismäßige Bürokratie wird nicht ausgesetzt und schränkt Versorgung ein!
Die Pflegepersonaluntergrenzen und alle GBA-Vorgaben sollen weiter Bestand haben. Das bedeutet, dass die Krankenhäuser einerseits Intensivkapazitäten aufbauen sollen, diese aber aufgrund strikter Personalvorgaben und Strukturprüfungen in der Realität gar nicht betreiben können. Schon vor der Krise herrschte Pflegepersonalmangel – es ist völlig unrealistisch, anzunehmen, diese Strukturvorgaben in einer Situation mit einer Corona-Patienten-Welle zusätzlich zum Bedarf der normalen Akutbehandlungen gleichzeitig jederzeit einhalten zu können. Konsequenz wäre die Schließung von Abteilungen mitten in der Stunde der größten Not!
 
Auch die Dokumentationspflichten sollen auch in dieser Ausnahmesituation weiter aufrechterhalten werden. In Deutschland müssen Ärzte rund 40 Prozent ihrer Arbeitszeit mit dem Ausfüllen von Formularen etc. verbringen. In der aktuellen Krise brauchen die Patienten aber keine Formulare, sondern jede medizinische Behandlung, die irgendwie möglich ist.
 
5.       Für die Corona-Krise dringend benötigte Reha-Kliniken nicht unter Schutzschirm

Die Reha-Einrichtungen spielen eine entscheidende Rolle für die Sicherung unseres Gesundheitssystems, wenn uns die Welle der Corona-Krise mit voller Wucht treffen wird. Akutkrankenhäuser können diese Einrichtungen nutzen, um Patienten zu verlegen und so den notwendigen Platz für Corona-Patienten zu schaffen. In der aktuellen Gesetzesvorlage sollen allerdings die Länder lediglich ausgewählte Reha-Einrichtungen unter den Schutzschirm nehmen können. Alle anderen fallen unter den Tisch.
 
Somit gibt es keinen Schutzschirm für die Reha-Einrichtungen und es muss erst ein bürokratischer, langer Prozess beschritten werden. Die Folge: Reha-Einrichtung müssen Kurzarbeit anmelden, die Pflegekräfte stehen für die Versorgung nicht mehr zur Verfügung. Dieser Prozess geht ganz schnell binnen zwei Wochen. Die Reha-Einrichtungen stehen dann auch nicht mehr als „Ersatzbank“ zur Verfügung. Das Gesundheitssystem wird zusammenbrechen, da es keine Entlastung durch die Reha-Häuser gibt.
 
 

 

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