RV2.5: Tumorzentrum Uckermark

In Rahmen der 5. Veranstaltung des zweiten Durchlaufs der Ringvorlesung „Asklepios Centers of Excellence am ACH“ hat Chefarzt Prof. Dr. med. Axel Matzdorff aus dem Asklepios Klinikum Uckermark am 9. Februar den Studierenden am Asklepios Campus Hamburg (ACH) das Tumorzentrum Uckermark vorgestellt.

Prof. Dr. Axel Matzdorff, AK Uckermark
Prof. Dr. Axel Matzdorff

„Wenn Sie sich für die Onkologie entscheiden, brauchen Sie ein großes Herz“. Dass Prof. Dr. med. Axel Matzdorff, Chefarzt der Inneren Medizin II, Gastroenterologie, Nephrologie, Hämatologie und Onkologie im Asklepios Klinikum Uckermark sein eigenes Prinzip verkörperte, war den zuhörenden Studierenden bereits nach wenigen Vortragssätzen klar. Humorvoll, unterhaltsam und lehrreich setzte er in der ersten online-Ringvorlesung des Sommersemesters einen ganz eigenen inhaltlichen Fokus. Am 9. Februar ging es daher nicht um neue Forschungsergebnisse und Therapieformen in einem Exzellenzzentrum. Vielmehr sprach der Onkologe zum einen über die Herausforderung, ein Tumorzentrum außerhalb einer Metropolregion so zu präsentieren, dass es als professionell und vertrauenswürdig in der Region wahrgenommen wird. Zum anderen teilte er seine Erfahrungen mit den ACH Studierenden, wie in dem besonders sensiblen Bereich der onkologischen Behandlung die Kommunikation mit den Patient:innen gut gelingen kann.

Zentrale Rolle des Tumorzentrums

Ringvorlesung Asklepios Centers of Excellence am ACH

Das vor vier Jahren vom Land Brandenburg benannte Tumorzentrum hat in der Region als größte Einrichtung seiner Art eine zentrale Rolle in der Krebsbehandlung. Noch vor 30 Jahren waren die Berliner Kliniken erste Anlaufstellen für Krebspatient:innen aus der Uckermark. Mittlerweile kommen 55% von ihnen zur Behandlung in das Tumorzentrum. Die häufigsten Diagnosen lauten dabei Dickdarm-, Prostata-, Bronchial- oder Mamakarzinom. Nur ein Drittel der Behandelten kommt ausschließlich wegen einer Krebserkrankung. Abhängig vom Alter leiden die anderen zwei Drittel zusätzlich z.B. unter einer kardiovaskulären Erkrankung oder neurologischen Einschränkungen (z.B. bei älteren Menschen häufig dementielle Syndrome). Daraus leitete Prof. Matzdorff eine klare Formel für die altersabhängigen unterschiedlichen Behandlungsziele ab: „Der jüngere Patient will geheilt werden, der ältere Patient möchte einfach nur in seinem gewohnten Umfeld bleiben können“.

Vernetzung nach Innen und nach Außen

Asklepios Klinikum Uckermark

Im Grundsatz arbeitet das Tumorzentrum Uckermark wie vergleichbare Einrichtungen auch: An der Tumorpatientenversorgung sind zahlreiche Fachbereiche beteiligt. Eine erfolgreiche Versorgung rundum gelingt auch dort nur durch die interne Zusammenwirkung von Ärtz:innen, ambulantem Dienst, Pflege, Physiotherapeut:innen, Ernährungsberater:innen und den Apotheken sowie extern von Angehörigen und den Entscheidungen der Politik. Als regionaler Versorger sieht das Team in der AK Uckermark fast alle seine Patient:innen von Behandlungsanfang bis -ende. Dies kann sowohl Heilung als auch palliative Begleitung bis zum Tod bedeuten. „Dadurch bleiben unsere Patientinnen und Patienten die ganze Zeit in unseren Händen, auch in den dunklen Phasen“, beschrieb Prof. Matzdorff seine besondere Aufgabe in Schwedt/Oder, und führte fort: „Krebs muss man heute als eine chronische Erkrankung verstehen, die einer umfassenden, ganzheitliche und kontinuierlichen Behandlung bedarf. Und genau dafür steht das Tumorzentrum. Unser Vorteil ist, dass wir in der Uckermark mit diversen Kliniken von Greifswald bis Berlin kooperieren. Aber wir vernetzen uns nicht nur nach Außen, sondern in den regelmäßigen Tumorkonferenzen auch nach Innen. Wir agieren zusammen mit allen Fachbereichen als Team und suchen gemeinsam nach interdisziplinären Strategien für Diagnostik und Therapie. Dabei profitieren wir davon, dass alle Bereiche ihre Ideen einbringen und alle organisatorischen Abläufe gemeinsam besprochen werden. So entsteht onkologische Kompetenz vor Ort.“

„Wahrscheinlich ist es nichts Ernstes“.

Patientenwünsche Kommunikation

Mit einem ungewöhnlichen Literaturtipp wandte sich Prof. Matzdorff dem zweiten Teil der Vorlesung über die Ärzt:in/Patient:in-Kommunikation zu: „Nehmen sie sich ein Beispiel an einer der meistgedruckten Zeitschriften in Deutschland, der Apotheken Umschau. Sie macht es vor, wie Themen und Krankheiten grundsätzlich positiv dargestellt werden können, indem sie den Erkrankten das Gefühl gibt, dass sich alle irgendwie um sie kümmern.“ Für eine vertrauensbildende Kommunikation in der Klinik sei es grundsätzlich wichtig, erst einmal die unterschiedlichen Sichtweisen der Beteiligten zu verstehen. Am Anfang einer Behandlung stehe in der Regel ein auffälliger Laborbefund. Oft falle dann der Satz „Wahrscheinlich ist es nichts Ernstes“. Darauf reagierten die Patient:innen zumindest beunruhigt, meist ängstlich oder sogar erschüttert. Wenn dann tatsächlich eine Krebserkrankung festgestellt werde, tauche gern die Frage auf „Was habe ich nur falsch gemacht“. Zu den Schuldgefühlen käme schließlich die Ohnmacht, ein gesundheitliches Problem zu haben, das aufgrund fehlender Fachbegriffe nicht richtig beschrieben werden könne, und gleichzeitig die medizinischen Strukturen nicht zu durchschauen. „Vergessen Sie nicht: Krebs ist eine furchteinflößende Erkrankung“, mahnt Prof. Matzdorff. „Schon allein die Erwähnung des Wortes ruft heftige Emotionen hervor. In der Folge macht jeder neue Befund große Sorge. Meist ist die ganze Familie betroffen. Dabei haben die Patientinnen und Patienten eine undefinierte Angst davor, Stückgut einer medizinischen Wertschöpfungskette zu werden. Gleichzeitig wünschen sie sich nichts mehr als Respekt, Empathie, Achtsamkeit, Ehrlichkeit, Offenheit, Kommunikation auf Augenhöhe - und vor allem einen schnellen Termin.“

Quellen kommunikativer Störungen

Häufige Fehler in der Kommunikation von Ärzten:innen

Anders die Sicht der Ärzt:innen: Sie sind zu Beginn einer Behandlung erst einmal mit einem medizinischen Problem konfrontiert, das isoliert und individuell betrachtet werden muss. Es gilt, möglichst den optimalen Lösungsweg zu finden und die nächsten Schritte nach medizinischen und organisatorischen Gesichtspunkten zu strukturieren. Gleichzeitig müssen ökonomische und zeitliche Vorgaben berücksichtigt werden. „Ärzte denken, leben und bewegen sich dabei in einer anderen Sprachwelt als viele ihrer Patientinnen und Patienten. Das ist die Quelle zahlreicher kommunikativer Störungen,“ erklärt Prof. Matzdorff dieses Dilemma. Oft fällt dann im Nachhinein der Satz ‚Darüber hat der Arzt gar nicht mit mir geredet‘.“ Dabei müssten aus Sicht des Chefarztes oder der Chefärztin für das gegenseitige Verständnis nur einige wenige Tipps eingehalten werden, um für eine gelungene Kommunikation zu sorgen. Sie lauten:

  • Schauen Sie den Patientinnen und Patienten immer in die Augen.
  • Verstecken Sie sich nicht hinter dem Laptop, sondern drehen Sie am besten den Monitor und schauen zusammen auf die Ergebnisse auf dem Bildschirm.
  • Setzen Sie als Ärzt:in weder einen ernsten Gesichtsausdruck auf noch verschränken Sie die Arme.
  • Scheuen Sie sich nicht davor, den Patienten oder die Patientin kurz zu berühren oder das Gespräch mit einem netten Kompliment zu beginnen, um zu zeigen, dass sie den Menschen wahrnehmen.
  • Führen Sie so oft es geht eine körperliche Untersuchung durch. Sie kostet Sie nur vier Minuten, aber gibt nicht nur Aufschluss über den Zustand, sondern schafft vor allem Nähe und Vertrauen.
  • Lassen Sie den/die Patient:in am Ende eines Aufklärungsgespräches z.B. drei der genannten Nebenwirkungen wiederholen. Die Erfahrung zeigt, dass drei Viertel aller Patient:innen beim Verlassen des Arztzimmers nicht mehr genau wissen, was sie als Nächstes tun müssen. Mehr als die Hälfte der Informationen sind bei der Ankunft zu Hause vergessen.
  • Wenn ein Patient nicht fragt, heißt das nicht, dass er keine Fragen hat.
  • Fragen Sie bei der Auflistung eingenommener Medikamente immer noch einmal nach. Besonders Schlafmittel und Psychopharmaka werden aus Scham gerne verschwiegen.
  • Nutzen Sie den Fragebogen, um Rückschlüsse auf den sozialen Hintergrund zu ziehen.
  • Fazit Prof. Matzdorff: „Sie halten das für kurios? Das ist Alltag!“

Geist der Medizin hat sich gewandelt

Die Unterschiede in der Kommunikation führte Prof. Matzdorff am Ende auch auf die Tatsache zurück, dass sich der Blick auf die Medizin aufgrund neuer Bedingungen im Laufe der Jahrzehnte sehr gewandelt habe. Die Behandlung sei zur Dienstleistung geworden, die ärztliche Kunst der Anwendung von Leitlinien gewichen, die Idee der Hilfe („Caritas“) in reine Versorgung umgewandelt worden und die Anteilnahme dem Service-Gedanken zum Opfer gefallen. „Damit haben Sie die Probleme unserer Zeit vollkommen auf den Punkt gebracht“, sagte abschließend Dr. med. Tina Maghsoudi, Leiterin des Zentrums für Magen- und Ösophaguschirurgie im AK Barmbek und Moderatorin dieser Ringvorlesung. Sie dankte Prof. Matzdorff auch im Namen der ACH Studierenden für die tollen Tipps für die Zukunft und einen großartigen Vortrag mitten aus dem medizinischen Alltag.

Nächste Ringvorlesung: 31.03.2022, Kardiologie, Prof. Dr. med. Stephan Willems

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