Experten diskutieren neues Gesundheitsgesetz der Bundesregierung

„TSGV – Was bedeutet das Terminservice- und Versorgungsgesetz für die gemeinsame Selbstverwaltung und für die niedergelassenen Ärzte? “ lautete der Titel der Podiumsdiskussion am 9. Mai für die Studierenden des 8. Semesters am Asklepios Campus Hamburg (ACH).

20190522_B1_PD Hygiene
Lebhafte Diskussion am 9. Mai am Asklepios Campus Hamburg zum neuen Gesundheitsgesetz TSGV

Schnellere Termine, mehr Sprechstunden, bessere Angebote für gesetzlich Versicherte – das verspricht das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSGV), das am 11. Mai 2019 nach Beschluss durch die Bundesregierung in Kraft trat. Zwei Tage zuvor drehte sich am ACH die alljährliche Diskussionsrunde, die den Abschluss der Vorlesung Hygiene, Umwelt- und Sozialmedizin bildet, genau um dieses Gesetz. Es ist das bislang umfangreichste Gesundheitsgesetz in der Geschichte der Bundesrepublik, das mit seinen vielfältigen Neuregelungen tiefgreifende Auswirkungen auf das Gesundheitssystem, die Selbstverwaltung und die tägliche ambulante Praxis sowohl für Ärztinnen und Ärzte als auch für Patientinnen und Patienten haben wird.

20190522_B3_PD Hygiene
Moderator Dr. Jochen Kriens, Leiter der Abteilung Politik und Öffentlichkeitsarbeit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hamburg

Dozent des Blockseminars und Organisator der Podiumsdiskussion war Dr. Jochen Kriens, Leiter der Abteilung Politik und Öffentlichkeitsarbeit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hamburg. Ihm war es wieder gelungen, durch die Aktualität des Themas und die Besetzung des Podiums die Praxisrelevanz der Inhalte seines theoretischen Seminars deutlich zu machen. Bereits die Statements, mit denen Dr. Kriens die fünf Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer aus Politik sowie Arztpraxen und Krankenkasse vorstellte, versprachen eine spannende und kontroverse Diskussion über Gebührenordnung, Termin-Servicestellen, Sprechstundenangebote und Budgetierung:

Hier die Positionen in Kurzform:

20190522_B5_PD Hygiene
Dr. Birgit Stöver (CDU), Deniz Celik (DIE LINKE) und Frank Liedtke (Landesgeschäftsführer der BARMER)

Birgit Stöver, Fachsprecherin Gesundheit der CDU Hamburg und Mitglied in der Hamburgischen Bürgerschaft: „Die primäre Zielsetzung des TSVG ist aus Patientensicht nachvollziehbar: Jeder, der behandlungsbedürftig ist, soll unabhängig davon, ob privat oder gesetzlich versichert, zeitnah eine Behandlung erhalten. Das ist längst überfällig."

Deniz Celik, Fachsprecher Gesundheit DIE LINKE und Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft: "Das TSVG löst das grundsätzliche Problem der Zwei-Klassen Medizin nicht. Die Verlängerung der Sprechstunden oder die Besetzung der Terminservicestellen rund um die Uhr wird nicht zu einer besseren Versorgung führen. Privatpatienten werden auch in Zukunft schneller ein Termin erhalten und Ärzte werden sich weiterhin da niederlassen, wo es viele Privatpatienten gibt. Wir müssen die privaten Krankenversicherungen abschaffen". 

Frank Liedtke, Landesgeschäftsführer der BARMER, Landesvertretung Hamburg:  „Die BARMER begrüßt, dass es durch die Umsetzung des TSVG zu kürzeren Wartezeiten und schnelleren Terminen beim Arzt kommt. Allerdings führen die beschlossenen Ausweitungen der extrabudgetären Vergütung zu weitreichenden Mehrausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung. Fraglich ist, ob diese zusätzlichen Mittel am Ende tatsächlich zu einer Verbesserung der Versorgung von Patienten führen werden.“

20190522_B4_PD Hygiene
Dr. Dirk Heinrich (HNO-Arzt) und Dr. Bastian Steinberg (Arzt für Allgemeinmedizin)

Dr. Bastian Steinberg, niedergelassener Arzt in Hamburg und fachverantwortlicher Dozent Allgemeinmedizin am ACH: „Wenn ich das Gesetz richtig verstanden habe, ändert sich für uns Hausärzte nicht sonderlich viel. Es wird immer mehr Bürokratie geben. Es wird mehr Patienten geben, die meinen, sie seien Kandidaten für eine sofortige fachärztliche Weiterbehandlung. Verwaltungsaufwand und Bürokratie werden steigen. Die Versorgung der Patienten wird dadurch nicht besser werden.“

Dr. Dirk Heinrich, HNO-Arzt aus Hamburg und Vorsitzender der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hamburg: "Das TSVG bleibt eine zweischneidige Angelegenheit. Ich kritisiere die Eingriffe in Selbstverwaltung und Praxisorganisation. Am wichtigsten ist aber, dass die Tür zur Entbudgetierung aufgestoßen wird. Das ist ein Paradigmenwechsel für die gesamte vertragsärztliche Versorgung."

20190522_B2_PD Hygiene
Kontroverse Diskussion unter fünf Fachleuten

Nach einer Stunde lebhafter Diskussion über diese sehr unterschiedlichen Positionen und die Veränderungen durch das TSGV hatten die Studierenden ausführlich Gelegenheit, ihre Fragen an die Fachleute zu stellen. Es war den angehenden Ärztinnen und Ärzten anzumerken, dass weder das neue Gesetz noch die Schilderungen aus der alltäglichen Praxis durchweg für Zuversicht sorgten. Die spürbare Skepsis löste sich aber am Ende in Heiterkeit auf, als Dr. Kriens die Podiumsteilnehmer fragte, mit wem sie denn untereinander am liebsten einmal tauschen würden. Die schlagfertigen Antworten zeigten, dass zumindest die fünf Diskutanten trotz aller Kritik an Gegebenheiten und Gesetz ihren Alltag mit Humor tragen.

Seite teilen: