

Zunächst ist es wichtig, die Begriffe Schulverweigerung und Schulschwänzen zu unterscheiden:
- Schulverweigerung bedeutet, dass Kinder oder Jugendliche nicht in der Lage sind, die Schule zu besuchen, weil psychische Belastungen oder Ängste zu stark sind. Sie leiden größtenteils selbst stark darunter.
- Schulschwänzen dagegen bezeichnet ein bewusstes, heimliches Fernbleiben von der Schule ohne das Wissen der Eltern, oft verbunden mit Freizeitaktivitäten. Hier spielen ebenfalls oft psychische Probleme eine Rolle, diese werden aber anders gezeigt. Im Vordergrund stehen dann Motivationsprobleme, Delinquenz oder fehlende Bindung zur Schule eine Rolle. Auch dieses Verhalte ist ein Ausdruck von psychischen Belastungen und muss ernst genommen werden.
Hier geht es um die psychologischen Gründe für Schulverweigerung – also Fälle, in denen das Kind tatsächlich nicht mehr kann, auch wenn es eigentlich möchte!
1. Angst- und Panikstörungen
Angst oder Panikattacken sind die häufigsten Ursachen für Schulverweigerung. Dabei kann es verschiedene Formen geben:
- Trennungsangst: Diese tritt vor allem bei jüngeren Kindern auf. Die Vorstellung, ohne die Eltern in der Schule zu sein, löst massive Angst aus. Typische Reaktionen sind Weinen, Klammern oder körperliche Beschwerden (Bauchschmerzen, Übelkeit).
- Soziale Ängste: Meist sind es Jugendliche, die sich davor fürchten, im Mittelpunkt zu stehen, Fehler zu machen oder ausgelacht zu werden. Gerade dann können Referate oder Gruppenarbeiten unerträglich wirken und große Panik auslösen.
- Prüfungsangst: Manche Schüler:innen entwickeln so starke Versagensängste, dass schon die Vorstellung einer Klassenarbeit Panik hervorruft. Diese Ängste müssen nicht mit mangelnder Vorbereitung oder fehlenden Wissen zu tun haben!
Die Angst führt dazu, dass Schule als „gefährlicher Ort“ erlebt wird. Bleibt das Kind zu Hause, sinkt die Angst kurzfristig, das Kind fühlt sich entlastet. Langfristig wird die Angst dadurch aber oft stärker. Eine wirkliche Lösung ist das daheimbleiben nicht.
2. Depressionen und Niedergeschlagenheit
Depressionen bei Kindern und Jugendlichen äußern sich oft anders als bei Erwachsenen. Antriebslosigkeit, Gereiztheit, Rückzug und Schlafprobleme sind typische Anzeichen. Schule kann dann wie ein unüberwindbarer Berg wirken:
- Konzentrationsprobleme erschweren das Lernen, die Arbeitslast wird als zu viel und zu schwer wahrgenommen.
- Gefühle der Wertlosigkeit lassen Kinder und Jugendliche in negativen Gedanken versinken: „Ich schaffe das sowieso nicht.“
- Fehlende Energie macht den Schulbesuch fast unmöglich.
Eltern erleben und beschreiben ihre Kinder dann oft als „faul“ oder „träge“, obwohl tatsächlich eine psychische Erkrankung dahintersteckt. Dabei besteht immer die Gefahr, dass sich die Betroffenen nicht ernst und wahrgenommen fühlen.
3. Traumatische Erfahrungen
Kinder, die Gewalt, Missbrauch, schwere Unfälle oder den Verlust naher Angehöriger erlebt haben, können traumatisiert sein. Auch Mobbing und Konflikte mit Lehrpersonal oder anderen Schüler:innen können eine schwere psychische Belastung darstellen und sogar ein Trauma auslösen.
Die Folgen solcher traumatischen Erlebnisse können sein:
- Albträume und Schlafstörungen
- starke innere Anspannung
- Panikattacken bei bestimmten Auslösern ('Triggern')
- Vermeidung von Situationen, die an das Trauma erinnern. Dazu kann u. a. auch die Schule gehören.
- Vermeiden von Kontakt zu den auslösenden Personen (Lehrpersonal oder Schüler:innen)
Während die Schule selbst nicht der Auslöser für das Trauma sein muss, können dort dennoch Probleme auftreten!
4. Überforderung und Leistungsdruck
Nicht immer steckt eine „klassische“ Erkrankung dahinter. Manche Kinder und Jugendliche geraten in einen Kreislauf aus Überforderung:
- Schlechtere Leistungen führen zu Kritik und Schamgefühlen.
- Prüfungen oder Nachfragen im Unterricht werden gefürchtet.
- Die Angst vor dem Versagen wächst, bis die Betroffenen lieber gar nicht mehr zur Schule gehen.
Gerade leistungsorientierte Schulsysteme (und auch Eltern) können hier zusätzlichen Druck erzeugen.
5. Mobbing und soziale Probleme
Wenn Kinder in der Schule von Mitschüler:innen oder Lehrpersonal ausgelacht, ausgegrenzt oder sogar körperlich bedroht werden, entwickelt sich verständlicherweise eine massive Abneigung gegen die Schule. Psychologisch betrachtet entstehen dabei oft:
- Angststörungen (z. B. soziale Angst, Panik)
- Depressive Symptome
- Verlust von Selbstwertgefühl
Viele Kinder schämen sich und erzählen zu Hause nichts. Sie verweigern dann die Schule, weil sie keinen anderen Ausweg sehen.
6. Familiäre Belastungen
Auch Spannungen innerhalb der Familie können zu Schulverweigerung beitragen:
- Scheidung oder Trennung der Eltern
- schwere Erkrankung eines Familienmitglieds
- häusliche Gewalt oder Vernachlässigung
- übermäßiger Druck und hohe Erwartungen an schulische Leistungen
Kinder reagieren auf solche Belastungen oft mit Rückzug oder psychosomatischen Beschwerden. Die Schule ist dann der Ort, an dem sich das Problem zeigt: entweder in der Verweigerung hinzugehen oder in problematischen Verhalten in der Schule.

Psychologen sprechen hier von einem Vermeidungsverhalten:
- Das Kind erlebt die Schule als bedrohlich (z. B. durch Angst vor Prüfungen, Überforderung, soziale Konflikte oder Mobbing).
- Schon der Gedanke an die Schule löst intensive Stress- und Angstsymptome aus: Bauchschmerzen, Herzrasen, Schwindel, Schlafstörungen oder Panikgefühle.
- Bleibt das Kind zu Hause, verschwinden die Symptome häufig schnell. Diese kurzfristige Erleichterung wirkt wie eine Belohnung und verstärkt das Meideverhalten.
- Gleichzeitig verlieren Kinder durch die Abwesenheit soziale Kontakte, was Isolation und das Gefühl von „Nicht-Dazugehören“ fördert.
- Dadurch entsteht ein Teufelskreis: Je länger das Kind der Schule fernbleibt, desto größer werden die Lücken im Unterrichtsstoff, desto stärker wächst das Gefühl von Überforderung und desto mehr verstärken sich Ängste und Schuldgefühle.
Die kurzfristige Entlastung durch das Fernbleiben verstärkt somit langfristig das Problem: Das Kind fühlt sich immer weniger in der Lage, die Schule zu bewältigen, obwohl genau diese Konfrontation notwendig wäre, um die Angst zu überwinden.
Eltern und Jugendliche sollten wissen: Es gibt Wege aus der Schulverweigerung!
1. Verständnis zeigen
Statt Vorwürfen („Du musst dich nur zusammenreißen“) brauchen Kinder und Jugendliche Mitgefühl und das Gefühl ernst genommen zu werden. Schon das Wissen, dass die Eltern ihre Not sehen und ernst nehmen, kann entlasten.
2. Gespräche suchen
Mit dem Kind reden, ohne Druck aufzubauen. Fragen wie:
- „Was macht dir an der Schule Angst?“
- „Wann fühlst du dich besonders unwohl?“
- „Gibt es jemanden, mit dem du dort reden kannst?“
Oft steckt mehr hinter der Schulangst, als Erwachsene im ersten Moment glauben. Ein offenes Gespräch über Gefühle, Ängste und Sorgen kann bereits viel erreichen. Schnell kann klar werden, dass die Angstgefühle relevante Gründe haben.
3. Zusammenarbeit mit der Schule
Lehrpersonal und Schulsozialarbeiter:innen sollten informiert werden. Oft können diese gezielt unterstützen oder individuelle Lösungen bieten, wie zum Beispiel:
- Unterstützung bei einem langsamen und begleiteten Wiedereinstieg
- geplante Auszeiten während des Unterrichts
- eine designierte Vertrauenspersonen in der Schule, die über die Situation Bescheid weiß und den/die Schüler:in im Alltag unterstützen kann.
Wichtig ist eine offene Konversation mit den Betroffenen. Erwachsene sollten nicht hinter ihrem Rücken agieren und Maßnahmen verheimlichen.
4. Psychologische Hilfe
Oft ist aber auch eine psychotherapeutische Behandlung notwendig.
- Bei Angststörungen: Hier kann eine Verhaltenstherapie, oft verbunden mit einem Expositionstraining nützlich sein. Es werden die täglichen Gefühle und Sorgen, verbunden mit der Schulangst besprochen. Therapeut:innen lehren hilfreiche Übungen, um die Angst- und Panikgefühle zu managen und begleiten den Prozess der Exposition und den Wiedereinstieg in die Schule
- Bei Depression: In der Gesprächstherapie können Betroffene frei und ohne Urteil über ihre Gefühle und die Situation treffen. Bei manchen Fällen kann auch eine medikamentöse Therapie helfen.
- Bei Trauma: Sind traumatische Erlebnisse der Auslöser für die Schulangst sind spezielle Traumatherapie oft hilfreich. Es gibt eine Vielzahl an Varianten therapeutischer Methoden, um Betroffene zu unterstützen.
5. Strukturen im Alltag
Strukturen bieten Sicherheit und Ordnung, und bringen somit vielen Menschen Ruhe in einen oft hektischen Alltag.
- Fester Schlafrhythmus: Neben einer ausreichenden Menge Schlaf, unterstützt ein fester Schlafrhythmus dabei Emotionen zu regulieren, da Ereignisse und Emotionen im Schaf verarbeitet werden
- klare Tagesstruktur, auch wenn die Schule gerade nicht besucht wird
- kleine Erfolge feiern, um Motivation zu stärken: Oft übersehen wir, wie viel kleine Siege den Tag bereichern. Gerade wenn Ängste und Sorgen überhand nehmen ist es wichtig anzuerkennen, wenn etwas gut gelaufen ist.
6. Entlastung der Eltern
Auch Eltern sollten sich Unterstützung holen, z. B. in Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen. Schulverweigerung ist eine Familienaufgabe und kein individuelles Versagen der Schüler:in. Wichtig ist es gemeinsame Lösungen zu finden und sich gegenseitig zu unterstützen.
Da sich Sorgen der Eltern gerne in Frustration erkennbar machen, ist es wichtig eine offene und ehrliche Kommunikation zu pflegen. Coaches und Therapeut:innen können dabei unterstützen.

Verstehen, statt verurteilen und schnelle Hilfe suchenSchulverweigerung ist ein ernstes Signal, dass Kinder oder Jugendliche Hilfe brauchen. Hinter dem Verhalten stecken fast immer eine schwere psychische Belastungen des Kindes, wie Ängste, Depressionen, Überforderung, Mobbing oder familiäre Probleme.
Eltern müssen wissen: Das Kind will nicht provozieren! Es kämpft mit inneren Schwierigkeiten, die für Außenstehende unsichtbar sind. Mit Verständnis, professioneller Unterstützung und enger Zusammenarbeit zwischen Familie, Schule und Psychotherapie gibt es gute Chancen, den Teufelskreis zu durchbrechen.
Familien von Schulverweigerern versuchen oft das Problem alleine zu lösen - dabei müssen Sie das gar nicht! Externe Hilfe, wie eine Therapie oder Coaching, kann dabei unterstützen neue Perspektiven zu sehen und verfahren Verhaltensmuster aufzubrechen.
In unseren Standorten in Hamburg und Frankfurt bieten wir Unterstützung für Kinder und Jugendliche an, die mit Schulangst kämpfen. Und natürlich widmen wir uns auch Angehörige, die Hilfe benötigen. Unsere Patientenmanagement stehen Ihnen gerne bei Fragen zur Seite!